Interview: “Dekolonisierung” – Seelische Heilung und weisheitsorientierte Politik

“Ich wünsche mir für uns alle – auch für die kommenden Generationen – DeMut und Liebe. Mögen wir erkennen, dass wir im Kern wundervolle beseelte Wesen sind, die Frieden, Geborgenheit und nach Hause zurückkehren wollen – und eben keine biologischen Maschinen, die hier sind, um lemminghaft Güter und sozialen Status anzuhäufen oder Algorithmen zu folgen”, sagt Khushwant Singh. Foto: Unsplash

Amosinternational: „Dekolonisierung des Bewusstseins“ – Wie seelische Heilung und weisheitsorientierte Politik zur Bewältigung globaler Herausforderungen beitragen können

Interview mit Khushwant Singh zur Rolle von Spiritualität und Religion für nachhaltige Entwicklung

Khushwant Singh bringt beruflich wie ehrenamtlich Menschen aus Politik, Wissenschaft, Religionen und weiteren zivilgesellschaftlichen Hintergründen zusammen, um gemeinsam an einer guten Zukunft für Mensch und Natur zu arbeiten. Religiöse Akteure sind für ihn mit entscheidend, um die Agenda 2030 zu erreichen. Mit ihr hat sich die Weltgemeinschaft 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung gesetzt. Singh geht davon aus, dass nur mit dem Wissen, den Ressourcen, Netzwerken und Erfahrungen von Religionsgemeinschaften ein gelingendes Miteinander möglich ist. Da Spiritualität das Herz anspricht, ist sie laut Singh nicht nur bei existenziellen Fragen von Bedeutung, sondern auch im Bereich der Verhaltensänderung. Zu dieser Perspektive inspiriert hat Singh seine in der Sikhi, der Sikh-Religion, verwurzelte Spiritualität. Privat, beruflich und ehrenamtlich dienen ihm die aus dieser Tradition hervorgehenden universellen Weisheiten und Werte mit der Gleichwürdigkeit aller Menschen als Grundlage. Amosinternational sprach mit ihm über das Friedenspotenzial von Religion, intuitive und evozierte Ethik, seelische Heilung, Kolonisierung, weisheitsorientierte Politik und einem Ganzheitlichen Index zur Messung des Wohlbefindens von Mensch, Tier und Umwelt.

Amosinternational: Herr Singh, Sie arbeiten in verschiedensten Kontexten an der Schnittstelle Religion, Dialog und nachhaltige Entwicklung. Was wollen sie damit erreichen?

Khushwant Singh: Mich inspiriert das zu tun, was mir als Sikh mitgegeben ist: Dialoge jenseits Menschen gemachter Grenzen fördern und beizutragen zu Verständigung, Gerechtigkeit, Frieden und Umweltschutz. Die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 sagen ganz klar: Wir alle müssen global zusammenarbeiten, um etwas Gutes zu erreichen. Die Internationale Partnerschaft zu Religion und nachhaltiger Entwicklung (International Partnership on Religion and Sustainable Development, PaRD) etwa bringt seit 2016 Akteure aus religiösen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen mit Repräsentantinnen und Repräsentanten von Regierungen, multilateralen Einheiten wie den Vereinten Nationen (UN) sowie Wissenschaft. Ziel ist, langfristig und auf Augenhöge an Themen wie Umweltschutz, Gesundheit, Gleichwürdigkeit, Frieden, Religions- und Weltanschauungsfreiheit (FoRB) zu arbeiten und einen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen zu leisten.

Wir leben auf einem Planeten, dem Organismus Mutter Erde. Und wenn der Organismus krank ist, können wir nicht einfach sagen, wir kümmern uns nur um den kleinen Finger. Daher bemühen wir uns, alle relevanten Stimmen, Perspektiven und Weisheiten, auch die Indigener Traditionen, stärker zu berücksichtigen. Entsprechend haben wir neben der Gründung von PaRD in 2016 seinerzeit die Dialogreihe Religion Matters! auf den Weg gebracht. Dabei ging es darum, genauer hinzuhören, was Vertreterinnen und Vertreter aus ihrer religiösen Tradition heraus Politik raten, um eine gelingende nachhaltige Entwicklung zu gestalten.

Der Titel Religion Matters! spricht für sich: Die große Mehrheit der Menschheit fühlt sich einer religiösen, spirituellen bzw. indigenen Tradition verbunden – nicht unbedingt institutionell, aber im Herzen. Diese Verbundenheit gilt es für eine gelingende Entwicklung der Menschheit zu nutzen. Auch in der Politik und Entwicklungszusammenarbeit. Politik zielt auf die Gestaltung von Rahmenbedingungen. Wenn Politiker dann aber einmal sagen, man möge weniger Wasser verbrauchen, gibt es einen Aufschrei und Politik gerät unter Druck. Wenn religiöse Würdenträger sagen: „Hört! Wir alle müssen kürzertreten. Lasst uns weniger Fleisch essen, umweltfreundlichere und kleinere Autos kaufen; lasst uns öfter das Fahrrad nehmen und zu Fuß gehen und duschen, statt die Badewanne voll zu machen“, dann kommt das eher bei den Menschen an.

In der Tat treten Papst Franziskus, der Dalai Lama und andere religiösen Führer als „Botschafter des Friedens und der Einheit“ auf und appellieren den Planenten besser zu schützen. Haben solche Gesten über ihren symbolischen Gehalt hinaus eine Wirkung?

Inspirierende symbolische Gesten sind wichtig. Noch wichtiger ist vorbildlich voranzugehen. In der Sikhi, so nennen wir die Sikh-Religion im Original, wird Kongruenz von Wort und Tat angestrebt. Das ist herausfordernd. Wenn ich ein Leben voller Prunk lebe, aber Bescheidenheit predige, passt das nicht zusammen. Wenn ich vom Umweltschutz rede und rauche auch nicht. Und wenn ich gegen Cannabis wettere aber Alkohol als Kulturgut propagiere, ebenso wenig. Die Weisen der Sikh-Religion, die wir als Erleuchtete (Gur, Bhagat) ansehen, die sich selbst gleichwohl ausschließlich als demütige göttliche Diener und Botschafter ansehen (Das, Jan), sagen: Geheilt bin ich, wenn es keine Inkongruenzen mehr gibt. Also wenn aus der Kakophonie an Gedanken und inneren Stimmen ein harmonischer und authentischer Chor wird.

Die Weisen der Sikh-Religion schreiben in ihren Originalschriften (Gurbani), die in der Schriftsprache Gumukhi verfasst wurden und bis heute erhalten sind: „Die Diener äußern nur das, was im Diesseits und im Jenseits wahrhaft ist.“ Das ist ein sehr hoher Anspruch, denn allein schon was im Hier und Jetzt widerlegt werden kann, wird nicht als göttlich angesehen.

Zum Thema Vorbildfunktion: Historisch und gegenwärtig schaffen Religionen auch viel Leid. Man denke an die Kreuzzüge und Terror im Namen der Religion. Ist Religion nun das Problem oder die Lösung?

Religionen können kein Leid schaffen, nur Menschen unter Missbrauch der Religion. Menschen interpretieren und lassen Handlungen folgen. Gewalt im Namen der Religion ist das Undenkbarste. Denn Religion ist die Kraft der Liebe, des Friedens, der Heilung und des Verständnisses.

Aber wenn ich von klein an geschult werde, Monologen und vermeintlichen Führern und einfachen Weltbildern unhinterfragt zu folgen, bin ich irgendwann nicht mehr in der Lage zu reflektieren und handele in der Endwirkung radikal. Sei es als Rassist oder vermeintlicher Gläubiger. So gerät Religion in Misskredit. Wenn ich Religion gemäß ihrer eigentlichen Natur für die Innenschau, den Dialog und Frieden nutze, werde ich Teil der Lösung. Es geht in einer reifen Lebensweise um reflektierte Loyalität. In der Religion. Im Job. In der Familie.

Sie bringen Menschen aus der Welt der Spiritualität und Religion zusammen, auch mit politischen Entscheidungsträgern, so auch als ehemaliger Vorsitzender des Rates der Religionen Frankfurt und über den Rat der Sikhi. Was spornt sie an und was wollen sie mit diesen Dialogen erreichen?

Im Rat der Religionen in Frankfurt, den ich von Beginn an als Gründungsmitglied begleiten und dem ich vier Jahre vorstehen durfte, geht es darum, den Dialog unter den Religionsgemeinden zu fördern und Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Wir können einfacher Lösungen erarbeiten, wenn wir unsere Stärken zusammenbringen. Zusammen mit Dezernaten und Ämtern haben wir Initiativen in die Wege geleitet: So haben wir die Publikation „Seelsorge Interreligiös“ erarbeitet, um Orientierung zu geben, wie Seelsorge gelingen kann, wenn Patientinnen und Patienten Muslime, Buddhisten oder Sikhs sind. Durch die Arbeit des Rates spricht die Stadt Frankfurt inzwischen nicht nur bei abrahamitischen Feiertagen eine Würdigung aus, sondern auch an wichtigen Tagen anderer Religionen. Ich hatte seinerzeit vorgeschlagen, einen gemeinsamen Feiertag für alle religiösen, spirituellen, indigenen und humanistischen Traditionen zu begehen. Damit hätte symbolisiert werden können, dass wir gleichermaßen Gäste auf Mutter Erde sind und uns darauf besinnen, was uns verbindet. Es bleibt abzuwarten, wann wir reif genug für so ein Unterfangen sind. 

Der Rat der Sikhi (www.sikhi.eu) ist ebenso eine ehrenamtliche Initiative und informiert ganzheitlich über Gurmat: einheitsstiftende und zugleich die Pluralität wahrende zeitlose seelische Weisheiten, die im Herzen der fünftgrößten Weltreligion Sikhi stehen. Diese Weisheiten inspirieren dazu, Kindheitsprägungen und das eigene Verhalten zu reflektieren. Sie helfen in Harmonie mit sich selbst, den Mitmenschen sowie der Tier- und Umwelt zu leben. Ausgehend von der Gleichwürdigkeit aller Menschen und den Menschenrechten setzt sich der Rat der Sikhi für ein friedliches und gleichberechtigtes Miteinander sowie Religionsfreiheit und interreligiösen Dialog ein. Der Rat ist zudem Ansprechpartner für Interessierte sowie Medien, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, Behörden und Politik.

Die von Ihnen eingangs erwähnte Agenda 2030 legt 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung fest, die bis 2030 erreicht werden sollen. Welchen Einfluss haben Religionen, damit diese Ziele erreicht werden können?

Religiösen Akteure haben große Netzwerke weltweit und sind vor Ort tätig, lange bevor nationalstaatliche Programme geschaffen wurden. Religiöse Organisationen und Initiativen verfügen über große Ressourcen, sie können auf ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zurückgreifen, die nicht durch Geld, sondern vor allem vom Gedanken des Dienens inspiriert sind. Sie arbeiten in Regionen, wo staatliche Leistungen an ihre Grenzen kommen. Wo es um humanitäre Hilfe, Bildungs- und Gesundheitsdienste geht, spielen sie weltweit eine große Rolle. Es gilt daher diese positiven Potenziale von Religion einzubeziehen, wollen wir die Agenda 2030 erreichen. Gleichzeitig ist es wichtig, sich nicht vom Missbrauch im Namen der Religion blenden zu lassen. Diesen hat es schon immer gegeben, sei es für politische, nationalistische oder ökonomische Interessen.

Hinzukommt die Ebene der Werte und Tugenden. Spiritualität inspiriert zu Gemeinwohl, Hingabe, Opferbereitschaft, Bescheidenheit und Rücksicht. Und sie ist eine Erinnerung am Gastsein auf der Erde. Wenn wir uns wie Gäste fühlen, gehen wir intuitiv respektvoller miteinander und Mutter Erde um. Wenn ich bei ihnen Gast bin, wüte ich nicht in ihrem Wohnzimmer, sondern werde höflich sein, vielleicht nett einen Tee trinken, die Tasse vorsichtig zurückstellen und wieder nach Hause gehen. Spiritualität nimmt also neben dem diesseitigen humanistischen Blick die Transzendenz ins Auge und erinnert uns daran: Wir werden nicht hierblieben, sondern letztlich heimkehren. Das verbindet uns. Wir alle leben in der Diaspora der Vergänglichkeit. Diese Welt ist die eigentliche Diaspora.

Spiritualität vermittelt aber auch Resilienz und Mut, gegen den Strich zu gehen und Widerstand zu leisten, wo erforderlich. Viele erleben auch in diesem Moment psychische bzw. körperliche Gewalt. Ich selbst werde immer wieder unter Druck gesetzt, verleumdet, beleidigt und bedroht. In der Sikh-Religion leitet uns für solche Situationen folgende Weisheit: Weder ängstigen noch sich ängstigen lassen. Gerade für spirituelle Menschen geht es darum zu verdeutlichen: Wir stehen zusammen. Für Liebe. Für Frieden. Für Gerechtigkeit. Gegen Hass. Gegen Gewalt. Gegen Gier. Das ist nicht einfach, sondern eine hohe Kunst. Sie ist es aber wert, gewagt zu werden.

Klimawandel, Pandemie, Krieg: Unsere Welt ist nicht gerade von Harmonie geprägt und steht vor großen globalen Herausforderungen. Werden die Religionen ihrer Verantwortung denn gerecht, um diese zu bewältigen?

Wir, die wir uns einer religiösen Tradition verbunden fühlen, müssen stärker als bisher unserer Verantwortung gerecht werden. Es geht darum, Lebensfreude sowie eine lebensbejahende verbindende Ethik zu leben und zu vermitteln und weniger in Abgrenzungen zu agieren. Eine Leitfrage ist dabei: Was verbindet uns existenziell als Menschen und mit der Natur? Wenn wir diesen universellen Ansatz stärken, wird mehr Frieden, Harmonie, Verständnis, Respekt und auch Freude möglich sein.

Der aktuelle Krieg in Osteuropa führt uns nach Jahrzehnten der vermeintlichen Sorglosigkeit vor Augen, dass Frieden und Energie kostbare Güter sind – und dass sich kurzsichtige und profitgierige Abhängigkeiten mit skrupellosen Führern und Regimen, die Menschen- und Naturrechte mit Füßen treten, niemals auszahlen. Gerade in solchen Zeiten ist es die Verantwortung der Religion, Politik aus einer unabhängigen und weitsichtigen Perspektive heraus beratend zur Seite zu stehen. Jüngst haben wir in einem Panel in Indonesien, wo unter anderem Indigene und Sikhs aus Australien vertreten waren, zu „Spiritual Policy Making“ gesprochen. Gemeint ist: „Spiritual Policy Making“, weisheitsorientierte Politik, basiert nicht auf einem kurzsichtigen Parteiprogramm und Wahlkalkül, sondern auf inklusivem und zyklischem Denken, welches die langfristigen Wirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt ganzheitlich in den Blick nimmt. Dies entspricht dem, was Spiritualität für einen Sikh im Kern ausmacht: Well-being, Wohlbefinden zu fördern. Es geht um Harmonie mit mir selbst und mit allen fühlenden Wesen, einschließlich der Umwelt.

Welche Veränderungen und verbindenden Werte brauchen wir, um weisheitsorientierter Leben und Politik gestalten zu können? Welche Grundsätze einer globalen Ethik bedarf es?

Vereinfacht gesprochen: Göttliche Werte verbinden uns. Menschengemachtes wie Nationalstaaten trennen uns. Es geht also um die Kultivierung solcher Werte, die universell, also unabhängig von Zeit und Region für alle Menschen handlungsleitend sind und helfen, zueinander zu finden.

Praktisch bedeutet dies zum Beispiel, dass ich mich nicht entlang tradierter Essensvorschriften oder Gewohnheiten abgrenze, sondern mich leiten lasse vom Prinzip der Gesundheit. Dieses wende ich für meinen Körper, meine Psyche und auch für die Tier- und Umwelt an. Daraus leite ich dann ab: nicht zu viel Essen, biologische und regionale Produkte kaufen, industriell verarbeitete und fettmachende Produkte, Konservierungsstoffe sowie Zusätze wie Hormone meiden. Es geht bei einer Weisheitsorientierung also nicht um die Einhaltung eines Gebotes seiner selbst willen, sondern um die Fähigkeit, Gelüste von natürlichen Bedürfnissen zu unterscheiden und angemessen zu befriedigen. Dies hilft in allen Bereichen des Lebens und so können wir einen Beitrag zum Tierwohl leisten, Massentierhaltung mindern und die Umwelt und unseren Körper weniger belasten. Und obendrein kommen wir uns im Herzen näher, weil keine Essensverbote zwischen uns stehen. Wenn wir von Kind an dieses Herangehensweise verinnerlichen, werden wir uns später auch als Politikerinnen und Politiker oder anderen verantwortlichen Positionen für entsprechende Rahmenbedingungen einsetzen.

Die Gleichwürdigkeit aller Lebewesen – dies schließt die Natur mit ein – ist dabei der zentrale Grundwert, von dem sich alles andere ableitet. Diese Würde gilt es zu schützen. Diesen Grundwert zu verankern, nicht durch bloße Rhetorik, sondern zu Hause, in den Bildungseinrichtungen und im Beruf, das ist die Herausforderung. Seit den letzten Jahrhunderten werden wir zunehmend so geprägt, dass wir uns immer mehr als optimierbare „biologische Maschinen“ wahrnehmen, die auf einem kapitalistischen Arbeitsmarkt gut funktionieren müssen. Wir sprechen hier gerne von „Karriere machen“. Aber das tieferliegende Mysterium des Lebens, der Grund hinter den Grund, geht dabei verloren. Dieses gewinnt oft erst dann an Bedeutung, wenn die vermeintliche Maschine keinen Sinn mehr im Job sieht, einen „Burnout“ oder eine „Depression“ erleidet.

Zentral wäre, die Bildung vom Kindergarten an ganzheitlicher zu gestalten. Von Wettkampf und Vergleich hin zu einer wertegeleiteten Bildung, die fachliches Wissen und Weisheit ganzheitlich verbindet, zu einer respektvollen Kooperationskultur, Kompromissbereitschaft und Gemeinwohl anleitet und die Resilienz und das Wohlergehen der Heranwachsenden stärkt.

Sie sprechen in solchen Zusammenhängen davon, dass Sie kolonisiert seien. Was meinen Sie damit?

Ich als Sikh komme aus einer Tradition, die von verschiedensten Seiten bis heute Missionierung und Kolonisierung erlebt. Wir sind auf der Ebene der Sprache und somit auch des Denkens kolonisiert. Unter anderem durch die Übersetzungen der zentralen Originalschriften der Erleuchteten (Guru Granth Sahib), durch Missionare und Orientalisten. Hinzu kommen Institutionen, Dogmen, Konzepte und Rituale sowie die Kapitalisierung der Religion, die uns übergestülpt wurden und uns vom Kern der Lebensweise der Sikhi entfremdet und haben. Ehrlicherweise müssen wir eingestehen, dass wir das mit zugelassen haben. Neben dem Guru Granth Sahib und den Schriften des Erleuchteten Gur Gobind Singh hat mir die Sozialanthropologie geholfen, die Facetten der Kolonisierung allmählich aufzudecken – und ich bin immer noch im Prozess. Ich achte darauf, dass ich mich stets auf die Originalschriften beziehe und nicht auf Übersetzungen, Werke oder Interpretationen Dritter. Sie bekommen ja mit, dass ich auch in diesem Gespräch hin und wieder Originalwörter und Verse zitiere.

Solange wir die Tiefe unserer Kolonisierung nicht reflektieren und dann dekonstruieren, ist es schwierig, uns weiterzuentwickeln. Dabei geht es nicht nur um die äußere Ebene, zum Beispiel die Forderung von Reparationszahlungen für ausgebeutete Ressourcen. Es geht bei der Dekolonisierung auch darum, auf seelischer Ebene zu erkennen, wo wir in Verleumdung der tiefen Weisheit, die uns konditionslos als Geschenk mitgegeben wurde, fremdgesteuert und nachäffend leben. Es geht um das Verlernen (Anpadea) von Prägungen, die uns langfristig schaden. Daher nenne ich diesen Prozess auch „Decolonising the mind“. Dieser tut weh und ist doch heilsam. Denn nach der Verletzung kommt die Heilung. Diese Sichteise gibt Hoffnung. Ähnliches erzählen mir Menschen aus anderen Traditionen, darunter auch Indigene.

Der Dalai Lama hat es sinngemäß einmal so ausgedrückt: Das Schlechte, auch das, was sich in die Religion eingeschlichen hat, muss ausgemerzt werden. Dazu gehört Ehrlichkeit und Mut. Das führt zu Widerständen und Kritik, gerade bei denen, die durch die Kolonisierung weltlich profitieren.

Sie haben erwähnt, dass sich der ganz große Teil der Menschheit einer religiösen, spirituellen bzw. indigenen Tradition verbunden fühlt. Diese Traditionen betonen die Bewahrung der Natur. Warum wird der Planet dennoch mehr und mehr zerstört?

Das ist eine berechtigte Frage, die uns in Not bringt, denn Religion inspiriert ja zum Guten. Demnach müssten sich große Teile des Planeten in einem paradiesischen Zustand befinden. Jedoch ist es wie bei Star Wars. Wir haben das Gute und das Schlechte in uns, Licht und Schatten. Es liegt an uns, ob wir mehr Licht oder Schatten haben wollen.

Die über 30 Erleuchteten, aus deren Lebenswegen die Sikh-Tradition im Mittelalter in Nord-Indien hervorgegangen ist, beschreiben es so: Es gibt einen inhärenten spirituellen Grund, warum das Paradies niemals im Außen geschaffen werden kann. Dieses Leben, die Diaspora, wirkt als Heilstätte, um seelisch gesunden und heimkehren zu können in das Reich aller erleuchteten Seelen (Sach Khand, Par Brahm). Wir reden hier nicht von einem physischen Ort, sondern einer seelischen Bewusstseinsebene im Hier und Jetzt. Jedes Lebewesen hat etwas zu lernen und zu heilen. Deswegen wurde es geboren. Sikh bedeutet Schüler. Schüler, die die Kunst der Selbstheilung lernen.

Das Leben ist ein kostbares Geschenk, die Überheblichkeit (Pharam), die wir als göttliche Wesen auf seelischer Ebene in uns tragen, zu heilen, so die Erleuchteten. Die Hybris wird als Urgrund allen Lebens ausgemacht. Die Medizin gegen diese Überheblichkeit ist die Trennung vom Urozean aller erleuchteten Seelen (Sai Bhang). Die Seele, die von der Krankheit (Rog) der Überheblichkeit befallen ist und meint, sie könne eigenständig als Tropfen ohne den Ozean die Geschicke des Kosmos leiten, wird in die materielle Welt, die Diaspora, inkarniert. Das Erleben der Entfremdung von der seelischen Urfamilie bereitet den therapeutischen Boden der Heilung (Daru, Mera Baid Guru Govinda). Das Göttliche und Unendliche der Seele erlebt durch Naturgesetze, durch vermeintlich gegensätzliche Erlebnisse wie Verbundenheit und Trennung, Freude aber eben auch Altern und Leid, also Erfahrungen, die gemieden werden wollen (Dukh), eine Beschränkung. Das führt nach dem Erleben unzähliger Reinkarnationen zu einer Form von Bescheidenheit, die in der Erkenntnis mündet: Obwohl ich göttlich bin, brauche ich die Geborgenheit meiner seelischen Familie. Mit dieser Erkenntnis beginnt die Heilung und Heimkehr. Daher betonen die Weisen: Es geht darum, sich selbst zu retten und nicht die Welt.

Als Hotelgast fange ich nicht an, das Hotel zu schmücken. Als Patient fange ich nicht an, das Krankenhauszimmer luxuriöser zu gestalten und mit Gold zu verzieren. Sondern ich tue alles dafür, um zügig zu gesunden und entlassen zu werden. Die Weisen der Sikhi nutzen das Bild „sich auf die Beine machen“ (Charan Chalo). Gemeint ist, all die Tugenden zu nähren, die ich brauche, um den steinigen Weg zurück zum Gipfel der seelischen Heimat bewältigen zu können. Erreiche ich diesen, erlebe ich Erleuchtung. Mein kleines Licht geht in der Sonne auf (Joti Jot Ralia). Mein Tropfen vermischt sich mit dem Ozean (Sagar Mahe Bund Bund Mahe Sagar).

Wie sieht der Prozess der seelischen Heilung aus?

Auf dem Wege der Heilung geht es zunächst darum, Schwächen, die ich in mir trage, zu erkennen und anzunehmen. Wir sprechen in der Sikhi von den „fünf Dieben“, die Energie kosten, sprich Tugenden absorbieren. Die Kunst der Spiritualität erinnert an den Energieerhaltungssatz. Es geht um Transformation – vom Dieb zum Heiligen. Zu den fünf Dieben, die aus dem Urgrund der Überheblichkeit entstehen, zählen:

1. Begierde, 2. Wut, 3. Gier, 4. emotionale Verhaftung, 5. Egoismus.

Im Zuge der Heilung wird Wut in Mut und Gerechtigkeitsempfinden transformiert, Gier in Bescheidenheit und emotionale Verhaftung in konditions- und subjektlose Liebe. Das ist wahrlich eine hohe Kunst, die so schwer ist, wie auf einem Haar oder einer Messers Schneide zu laufen, so die Erleuchteten. Sie sprechen auch von der Kunst, das „Schwert der Weisheit“ (Gian Khadag) führen zu können.

Das kleine Schwert, welches Sikhs tragen, die aufgrund ihrer Vorbildlichkeit in die vom Weisen Gur Gobind Singh 1699 ins Leben gerufene Gemeinschaft Khalsa aufgenommen wurden (Khande Di Pahul), symbolisiert zweierlei: Den Kampf gegen unsere inneren Dämonen fortwährend zu führen und den Mut zu haben, sich für Gerechtigkeit, Schwächere und das Gemeinwohl einzusetzen. Dieses Schwert wirkt wie ein Skalpell. Es trennt auf einer seelischen Ebene das Schlechte, den Tumor, und bewahrt das gesunde Gewebe. Darum geht es in unserer täglichen Pilgerreise als spirituelle Menschen: Wir tauchen ein in das seelische Bad der Weisheit im Tempel des Herzens und reinigen uns dort (Ishnan, Man Mandir Tan Ves Kalandar Ghat Hi Tirath Nava). Sikhs sehen die überlieferten Weisheiten der Erleuchteten als höchste Inspiration hierfür an. Weisheit zu verinnerlichen und zum Leben zu erwecken, gilt als höchste Tat (Utam Karni Shabad Vichar).

Glauben Sikhs an Wiedergeburt oder haben wir nur dieses eine Leben, „um uns zu heilen“?

In der Sikh-Religion geht es weniger um Glauben als um gelebte Weisheit und Orientierung an die Natur. Wenn man ein Blatt beobachtet, das vom Baum fällt, könnte man sagen: „Das Blatt ist gestorben.“ In Wirklichkeit findet nur Transformation statt. Die Dinge so anzunehmen, wie sie sind, also die Transzendierung der Oberflächlichkeit, macht Spiritualität aus. Aus dem Blatt entsteht wieder Erde und neues Leben – ob ich daran glaube oder nicht. Und wir Menschen sind Teil der Natur. Wir sind gleichermaßen den Naturgesetzen unterworfen. Wir sind gleichermaßen Teil eines Kreislaufs. Wir sind Teil biologischer und spiritueller Evolution. Es wäre wenig göttlich, wenn man nur eine Möglichkeit der Selbsterkenntnis hätte und keine neue bekäme, wenn man in diesem Leben die Chance nicht nutzen konnte.

Welche Grundprinzipien von Ethik leiten sich aus den seelischen Erkenntnissen der Sikh-Religion ab? Welche Rolle spielt intuitive und evozierte Ethik dabei?

In der Sikhi geht es um die Erforschung der Seele. Wissenschaftler erforschen primär Materie und den biologischen Körper. Die Schriften der Weisen sprechen vom „Unkörper“ (Badehi), da der Körper vergänglich ist. Spirituelle Menschen sind Forscher der eigenen Seele, des „wahren Körpers“ (Dehi). Die Weisen sagen: „Wenn du dich verstanden hast, hast du das Universum verstanden.“ Es geht also darum, den eigenen Wesenskern zu ergründen und sich zu vervollkommnen. Dies ist ein säkularer Vorgang. Er ist nutzbar in der Psychologie, Ethik, Biologie aber auch Wirtschaft.

Wenn ich mich genau verstehen würde, würde ich nicht sagen müssen: „Wie konnte ich das tun“. Es gibt also einen teilnehmenden Beobachter. Eine Synchronität von Reflexion und Handeln liegt bei vollständig geheilten Menschen vor (Puran Brahm). Sie haben keinen Grund mehr, wiedergeboren zu werden. Bei Menschen, die nach Heilung streben, gibt es zwei Wege des Lernens: 1. durch Leid, 2. durch Beobachtung. Dies ist auch der Unterschied zwischen evozierter und intuitiver Ethik: Bei der evozierten Ethik muss erst etwas im Außen passieren, wie eine Atomkatastrophe, bis wir zu der Erkenntnis kommen, dass die Betreibung von Atomreaktoren hoch problematisch ist. Intuitive Ethik erkennt frühzeitig von innen heraus, dass alles, was massive Nebenwirkungen hat (im vorliegenden Beispiel die Millionen Jahre andauernde Strahlengefahr), zu meiden ist. Das zu verstehen, benötigt keinen Nobelpreis.

Das Grundprinzip intuitiver Ethik in der Sikh-Religion ist Weitsicht. Eine Weitsicht, die über das eigene biologische Leben hinaus geht. Intuitive Ethik ist qualitätsorientiert. Entsprechend existierte vor der Kolonisierung in der Sikh-Tradition kein Mehrheitsprinzip, sondern das Weisheitsprinzip. Die Qualität der Weisheit eines Menschen spricht für sich. Erleuchtete wie Bhagat Kabir, Gur Nanak, Gur Angad, Gur Gobind Singh sowie die Fünf Geliebten, Bhai Mani Singh ebenso wie Buddha, Jesus und der Prophet Mohammed wurden nicht gewählt, sondern sie wurden vom Göttlichen, wir sprechen in der Sikhi unter anderem vom Wundervollen Erleuchter (Wahe Guru), auserwählt.

Ein weiteres Grundprinzip wird durch den Turban symbolisiert, den wir Sikhs täglich neu binden und mit dem wir unsere ungeschnittenen Haare, die Natürlichkeit ausdrücken, bedecken. Das Originalwort für Turban, Dastar, symbolisiert die schützende Hand des Göttlichen. Der Turban erinnert mich daran: Es gibt eine höhere Weisheit, die mich immer führt und zu der ich mich verbunden fühlen kann. Jeden Morgen, wenn ich in den Spiegel schaue, um den Turban zu binden, sage ich: „Lebe bescheiden die höchste Vision deiner selbst und baue keinen Mist.“ Ehrfurcht ist ein tolles deutsches Wort. Es enthält Ehre, aber auch Furcht. Es drückt diese tiefe Liebe zum Göttlichen aus, wohlwissend, dass nicht ich, sondern die Weisheit des Göttlichen (Gurmat) letztlich entscheidet, welche Therapie erforderlich ist, um zu heilen.

Es geht also nicht darum, gut zu handeln, um beliebt zu werden, Punkte für die nächste politische Wahl oder das vermeintliche Paradies zu sammeln. Das Paradies ist hier, wenn ich glücklich bin. Die Hölle ist hier, wenn ich leide. Intuitive Ethik bedeutet auch dann tugendhaft zu sein, wenn wohlwissend in den nächsten Minuten das Universum zerstört werden wird. Aus sich selbst heraus gut zu handeln und nicht in einer Heilserwartung, zeugt von intuitiver spiritueller Ethik.

Sie sprechen von Gurmat in ihren Texten. Was genau ist damit gemeint?

Es gibt Manmat, die eigene beschränkte Sichtweise und Gurmat, die holistische göttliche Sichtweise. Wenn ich als Sikh spreche, geht es darum, so gut wie möglich zu versuchen, nicht auf Basis meines Egos und eigener Meinung zu sprechen. Das steht im Gegensatz zu dem, was wir üblicherweise an Prägung von Kind an gerade auch in den Bildungsinstitutionen mitbekommen. Dort wird das Ego genährt.

Gurmat bedeutet das Ego zu transzendieren. Es bedeutet zu sprechen, wenn wir aufgefordert werden und nicht wenn wir wollen. Es ist vergleichbar mit einem Radio, das nur sendet, wenn es eingeschaltet wird. Gurmat bedeutet auch zu realisieren, dass nicht einfach nur das Radio zu verehren ist. Das Göttliche (Guru), die Quelle, die die wunderschöne Stimme ins Radio bringt, ist zu verehren. Verehren meint in der Sikhi, die Botschaft des Senders zu verinnerlichen und im Einklang mit ihr zu leben, wir nennen es Hukam. Ein Reisender, der in der Wüste zu verdursten droht, und dem eine Wüstenbewohnerin mit dem Finger die Richtung zur Quelle weist, wird keine Hilfe darin finden, den Finger zu verehren oder das Wort Wasser unablässig zu wiederholen. Es wird ihm helfen, der Richtung des Fingers aufmerksam zu folgen und dann das Wasser aus der Quelle zu trinken. Diesen Akt der Verinnerlichung von Weisheit nennen die Weisen unter anderem Langar.

Wie kann Gurmat dazu beitragen, Herausforderungen und Probleme der Menschheit zu bewältigen?

Die Schönheit von Gurmat liegt in ihrer universellen Anwendbarkeit. Ich kann die Weisheiten auf persönlicher, familiärer, beruflicher und gesellschaftlicher Ebene nutzen ohne Heilserwartung oder ein Glaubensbekenntnis. Bisher habe ich die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die offenen Herzens zuhören, sagen: „Ich fand das inspirierend. Da steckt etwas Tiefes dahinter. Die Traditionen der Sikh-Religion sind mir erst einmal fremd, aber ihre Weisheiten haben mein Herz berührt.“ Wenn mehr seelisches Wissen weitergegeben wird, sind kommende Generationen besser als wir in der Lage mit individuellen und kollektiven Problemen umzugehen. Wenn wir besser verstehen, wer wir wirklich sind und warum wir hier sind, werden wir intuitiv mehr für unsere Heilung tun und kommenden Generationen einen guten Weg dafür bereiten. Wer möchte schon in den Spiegel schauen und sagen: Wir waren hochentwickelt was Technologie, Infrastruktur und Medizin angeht, aber haben am Ende aufgrund unserer mangelnden inneren Entwicklung Mutter Erde zerstört.

Sie sprechen in einigen Artikeln von der Notwendigkeit eines „interdisziplinären Rat der Weisen“. Was genau stellen Sie sich darunter vor?

Wir brauchen interdisziplinäre Kooperation. Es ist wichtig, aktuelle Herausforderungen, etwa die Sicherstellung der Energieversorgung, nicht nur aus der Perspektive von Experten zu betrachten, die in ihrem spezifischen universitären oder politischen Feld bewandert sind und gut reden können. Sondern es bedarf einer komplementären Sicht. Hier können Weisheiten über die tieferen Zusammenhänge des Lebens helfen. Diese könnten von weisen Menschen eingebracht werden, die authentisch einer intuitiven Ethik folgen und nicht von weltlichen Interessen oder missionarischem Eifer angetrieben sind. Experten und Weise könnten gemeinsam mithelfen, einen Ganzheitlichen Wohlbefinden Index (Holistic Well-being Index) zu etablieren, bei dem das Wohlbefinden von Mensch, Tier und Natur der Kernindikator für Fortschritt ist und nicht Einkommen und lineares Wirtschaftswachstum, was auf Ausbeutung von Natur und Mensch basiert.

Indigene aus Australien sehen Großstädte per se als naturfeindlich an, weil Mutter Erde niemals das wiedergegeben werden kann, was eine Stadt ihr an natürlichen Ressourcen raubt. Sie plädieren für kleinere Kommunen, die zyklisches Denken und Handeln ins Zentrum stellen. Die entspricht dem, wie der Erleuchtete Gur Nanak, mit die zentralste Figur in der Sikh-Religion, in dem von ihm gegründeten Dorf Kartarpur im Panjab als bescheidener Bauer gelebt und gewirkt hat.

Wenn wir eine ganzheitliche zyklische und naturverbundene Perspektive berücksichtigen, werden wir zu einer anderen politischen Kultur und alternativen Lösungswegen kommen – spiritual policy making eben.

Was wünschen Sie sich?

Ich wünsche mir für uns alle – auch für die kommenden Generationen – DeMut und Liebe. Mögen wir erkennen, dass wir im Kern wundervolle beseelte Wesen sind, die Frieden, Geborgenheit und nach Hause zurückkehren wollen – und eben keine biologischen Maschinen, die hier sind, um lemminghaft Güter und sozialen Status anzuhäufen oder Algorithmen zu folgen.

Das Interview führte Claudia Schwarz, Dortmund

Zur Person

Khushwant Singh wurde im Panjab in Indien geboren und ist in Deutschland aufgewachsen. Er studierte Ethnologie, Pädagogik und Sozialanthropologie und schloss seinen Magister an der Universität Heidelberg und seinen Masters of Research am Goldsmiths College an der Universität London jeweils mit Auszeichnung ab. Singh arbeitete unter anderem als Sozialarbeiter mit Migrantinnen und Migranten sowie mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Seit 2006 ist er in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit tätig und hat dort zu den Themen Migration, Diasporakooperation, Religion, Handelsbarrieren und Digitalisierung gearbeitet. Aktuell ist Singh Leiter des Sekretariats der Internationalen Partnerschaft zu Religion und nachhaltiger Entwicklung (PaRD). Er ist Gründungsmitglied des Rates der Religionen Frankfurt, den er ehrenamtlich von 2014 bis 2017 leitete. Singh engagiert sich ehrenamtlich im Rat der Sikhi, in der Jugendbildung und in weiteren Initiativen wie der Stiftung für die internationalen Wochen gegen Rassismus. Singh publiziert und hält Vorträge zu den Themen Sikhi/Gurmat, Spiritualität, Ethik, Verhaltensänderung, Nachhaltigkeit und globale Menschheitsherausforderungen und veröffentlicht Podcasts für Jugendliche.

Ausgewählte Publikationen

Singh, Khushwant. (2023). Sikhi's Wisdom, Ethics and (De)Radicalisation: Decolonizing the Mind through Disidentification and Circular Thinking. In Ignace Haaz, Jakob Bühlmann Quero, & Khushwant Singh (Eds.), Ethics and Overcoming Odious Passions: Mitigating Radicalisation and Extremism through Shared Human Values in Education (pp. 243-259). Globethics.

Singh, Khushwant. (2018). Gurmat – The Art of Spiritual Wisdom. How Peace from Mind through Knowledge of the Soul can Help Overcoming the Challenges of Humankind. In James Walters (Ed.), Religious Imaginations (pp. 218-233). Gingko Press.

Singh, Khushwant (2016). Spirituelle Weisheit als Inspiration zur Verhaltensänderung. An Einsichten mangelt es nicht. In Politische Ökologie. Religionen & Spiritualität. Ressource für die große Transformation? (S. 34-40). Oekom Verlag.

Singh, Khushwant (2013). Toleranz in der Sikh-Religion. In Hamid Reza Yousefi & Harald Seubert (Hrsg.), Toleranz im Weltkontext. Geschichten – Erscheinungsformen – Neuere Entwicklungen (S. 145–152). Springer VS.

Singh, Khushwant (2014). Ethik in der Sikh-Religion. In Hamid Reza Yousefi & Harald Seubert (Hrsg.), Ethik im Weltkontext. Geschichten – Erscheinungsformen – Neuere Konzepte (S. 133-140). VS Springer.

Quelle

AmosInternational, Ausgabe 4/2022, Die gemeinsame Verantwortung der Religionen
Die Religionen dieser Welt können die gegenwärtigen Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen. Sie verfügen über eine kulturelle Prägekraft und Gestaltungsmacht für das Zusammenleben der Völker auf diesem Planeten. Die Beiträge dieses Heftes befassen sich mit der Verantwortung der Religionen, ihre gemeinsame Werte dafür zu nutzen, diese Welt zu einem lebenswerte Ort zu machen.

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