Wahre Freunde sind jene, die uns helfen, auf dem Weg der Tugend zu wandern.
ਜਿਨ੍ਹਾ ਦਿਸੰਦੜਿਆ ਦੁਰਮਤਿ ਵੰਞੈ ਮਿਤ੍ਰ ਅਸਾਡੜੇ ਸੇਈ ॥
Guru Granth Sahib, 520, M.5

Sikhi für Kinder: Wenn der heiligste Ort der ist, wo das Gute zu finden ist

Du bist ein Kind von Sikhs oder kennst Kinder und Jugendliche, die Sikhs sind? Und du fragst dich, was eigentlich hinter der Lebensweise der Sikhs steckt? Und warum Sikhs ihre Haare nicht schneiden, sie zu einem Dutt wickeln und bedecken? Wenn du das herausfinden willst, dann ist es an der Zeit, erste Antworten zu bekommen. Los gehts! Viel Spaß beim Lesen und Beantworten der Fragen!

Hinweise für Lehrerinnen und Lehrer: Der folgende Text ist ab der 5. Klasse geeignet. Am Ende einzelner Textabschnitte werden Fragen gestellt. Diese können einzeln in Stillarbeit, als Hausaufgabe oder in Gruppen bearbeitet werden. Wenn nur wenig Unterrichtszeit zur Verfügung steht, können auch nur ausgewählte Textabschnitte bearbeitet werden. Wenn die Fragen gemeinsam bearbeitet werden, können je nach Klassengröße 4-6 Gruppen gebildet werden. Antworten zu den Fragen werden gut lesbar in großer Schrift auf eine Karte oder digital aufgeschrieben. Die einzelnen Antworten werden nacheinander von einem Gruppenmitglied vorgestellt. Wenn möglich, soll für die Präsentation eine Magnet- oder Pinnwand genutzt werden. Wenn digital gearbeitet wird, werden die Antworten auf dem Bildschirm präsentiert. Am Ende der Stunde findet eine offene Diskussion anhand der Antworten statt. Zielt ist, respektvoll mit Vielfalt und wahrgenommene Andersartigkeit umzugehen, neue Sichtweisen kennen zu lernen und für ein gelingendes Miteinander nutzbar zu machen.

A) Weisheiten, um gut durch das Leben zu kommen

Sikhs werden all die Menschen genannt, die die Lebensweise der Sikh-Religion angenommen haben. Die Religion wird in der Sprache der Sikhs Sikhi genannt. Sikh bedeutet Schüler der Weisheiten. Die Weisheiten werden auch Gurmat genannt. Da kommt gleich die Frage auf: Um welche Weisheiten geht es hier? Um den Stein der Weisen jedenfalls nicht. Bei den Weisheiten handelt sich um Botschaften, die helfen, sich selbst besser zu verstehen, ein erfülltes und zufriedenes Leben zu führen sowie gut mit sich, dem eigenen Körper, anderen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, der Natur und der Tierwelt zu leben. Sie geben Hinweise darauf, warum die Menschen geboren wurden und wie sie einen tieferen Sinn im Leben finden können.

Die Botschaften der Sikhi sprechen alle Themen an, die im Leben wichtig sind. Sie spornen an, bewusst zu leben und ehrlich, mutig, geduldig, hilfsbereit, liebevoll und verzeihend zu sein. Sie sagen aber auch, dass es wichtig ist, sich gegen Unrecht einzusetzen, niemals aufzugeben und das zu tun, was die Menschen zusammenbringt und Frieden schafft. Sie ermutigen, sich nicht mit anderen zu vergleichen, niemanden zu fürchten oder zu hassen. Sie erinnern daran, die Natur, die Mitmenschen, Tiere aber auch den Körper achtsam zu behandeln, sich gesund zu ernähren und nicht zu viel zu essen. Daher meiden Sikhs all das, was für ihren Charakter und Körper sowie die Natur langfristig schädlich ist. Dazu gehört Rauchen, die Einnahme von Stoffen wie Drogen, die abhängig machen oder schlechte Langzeitfolgen haben. Ohrringe, Piercings, Beschneidungen oder andere riskante Eingriffe in den Körper, die nicht aus gesundheitlichen Gründen notwendig sind, werden gemieden. Die Weisheiten betonen, dass alle Menschen so zu akzeptieren, wie sie erschaffen wurden. Diejenigen, die diese Weisheiten als wichtig erachten und versuchen im Einklang mit ihnen zu leben, werden Sikhs genannt. Sie führen ein bescheidenes Leben. Sie häufen keinen Besitz an und folgen nicht allen Gedanken und Wünschen, die in ihnen auftauchen. Denn sie wissen, dass man nur auf Kosten anderer Menschen, den Tieren, der Umwelt und dem Klima ein rücksichtsloses Leben führen kann.

Wenn viele Weise einer Meinung sind

Die überlieferten Weisheiten der Sikhi wurden von weisen Menschen vor etwa 500 Jahren in Nord-Indien aufgeschrieben. Weise bedeutet, dass man nicht nur viel über das Leben weiß, sondern ein vorbildliches Leben führt. Die Einsichten von über 30 Weisen wurden in einem Werk aufgeschrieben, das 1604 erstmalig zusammengestellt wurde. Die Schriften werden Gurbani genannt. Das gesamte Werk mit 1430 Seiten ist heute als Guru Granth Sahib (GGS) bekannt. Das Wort Guru deutet an, dass die Schriften als göttlich angesehen werden. Sikhs sprechen von der einen wundervollen und namenlosen Quelle (Anam) des Lichtes (Wahe Guru), aus der alles Leben hervorgeht. Das Wort Gur wird zumeist für Weisheit und besonders weise Menschen verwendet, durch die zeitlose Weisheiten zu den Menschen gelangen. Es werden neben Gur auch andere Wörter in der Gurbani verwendet, darunter Bhagat. Die Weisheiten können als Chor beschrieben werden. Die verschiedenen Stimmen der Weisen bilden eine harmonische göttliche Melodie. Aufgeschrieben wurden die Weisheiten in einer Schriftsprache, die eigens dafür erfunden wurde. Sie wird Gurmukhi genannt. Es ist eine dichterische und bildliche Sprache, die nicht leicht zu verstehen ist. Man muss sie wie ein Puzzle zusammensetzen, um die tiefere Bedeutung zu verstehen.

Zu sehen ist eine Seite des Guru Granth Sahib in der heutigen Standardversion. Zu lesen ist unter anderem: “Wo Weisheit weilt, lebt die Religion”. Foto: Khushwant Singh

Der Guru Granth Sahib ist für Sikhs ein unermesslich wertvoller Schatz. Auf der ganzen Welt gibt es etwa 25 Millionen Sikhs, die die Schriften mit den Weisheiten von Herzen lieben. Und zwar so sehr, dass sie sich davor verbeugen. Von Kindheit an lernen Sikhs die Weisheiten auswendig und singen sie auch in Begleitung von Instrumenten, zumeist altindischen Seiteninstrumenten (Tanti Saj) oder einem Harmonium und einer Tabla, eine indische Trommel. Nach und nach versuchen Sikhs die Bedeutung der Weisheiten zu verstehen und danach zu leben. So werden die Weisheiten zum Leben erweckt.

A) AUFGABEN

  1. Wann und in welcher Region ist die Sikh-Religion entstanden und wie wird sie von Sikhs genannt.

  2. Wie heißt die zentrale Schrift für Sikhs und in welcher Schriftsprache wurde sie verfasst? Erkläre, warum von Schriftsprache die Rede ist.

  3. Was tun Sikhs und was meiden sie.

  4. Wie viele Sikhs gibt es weltweit.

  5. Wie wird das Göttliche in dem übersetzten Vers aus dem Guru Granth Sahib beschrieben.

  6. Welchen Sinn haben die Gesänge bei den Sikhs.

B) Der Kreislauf des Lebens und Universums

Im Guru Granth Sahib finden sich keine geschichtlichen Erzählungen. Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf Weisheiten über die Seele. Mit Seele (Jot, Atma) ist die Kraft gemeint, die alles zum Leben erweckt und der Grund hinter dem Leben ist. Es wird dabei nicht genauer darüber gesprochen, wann genau die Erde oder das Universum entstanden ist. Denn dies ist Aufgabe von Wissenschaftlern. Die Weisen schauen eher auf die großen Zusammenhänge des Lebens und unsere Verbindung zum Universum. Sie betonen, dass all das, was existiert, aus einer Lichtquelle entstanden ist. Die Quelle wird mit unterschiedlichsten Namen beschrieben, darunter Par Brahm, Sach Khand und Sukh Sagar. Sie betonen, dass sich alles fortwährend bewegt, entwickelt und ausdehnt und irgendwann in sich zusammenfällt (Sun Samadh). Dann beginnt nach einem erneuten Urknall alles wieder von vorne. Ähnliche Beschreibungen finden sich in der Wissenschaft in der Urknall-Theorie (Big Bang).

Die Weisen, auf die die Sikhi zurückgeht, schreiben ausführlich über das Geheimnis der Einheit in der Vielfalt und dem ewigen Kreislauf von Erschaffung und Zerstörung. Foto: Unsplash

Ob auf der Erde oder auf dem Mond: Taten zählen und nicht bloße Worte oder das Aussehen

Die Weisen erklären das Leben wie folgt: Wir wurden geboren, um zu heilen. Als wir noch nicht geboren waren, waren wir nur eine ganz reine Lichtquelle unter unendlich vielen. Wir standen in harmonischer Verbindung mit dieser Urquelle des Lichts. Wir waren Teil einer seelischen Familie, die gemeinsam für alles im Universum gesorgt hat. Doch als wir uns so mächtig gefühlt haben, dass wir dachten, wir könnten ohne die anderen Seelenlichter leben, wurde unserem Wunsch entsprochen. Wir verließen unsere Ursprungsfamilie und bekamen einen Körper. Damit wurde uns ermöglicht, zu erleben, wie es ist, von seiner Ursprungsfamilie getrennt und den Naturgesetzten unterworfen zu sein. Wir erfahren gegensätzliche Gefühle wie Freude und Leid und wie es sich anfühlt, von der Natur abhängig zu sein. Sobald wir nach und nach erkennen, dass das Leben hier das Ausland ist und nicht unsere eigentliche Heimat, beginnt die Heilung unserer Überheblichkeit. Dann fangen wir an, uns wie höfliche Gäste auf Mutter Erde zu verhalten, die nach einer Zeit wieder heimkehren. Die Weisen betonen, dass Weisheiten die Heilung unterstützen und in allen Lebenslagen und an jedem Ort hilfreich sind. Also auch dann, wenn wir einmal auf einem anderen Planeten leben sollten.

Die Weisen erinnern daran, bewusst auf Eigenarten und Taten zu schauen und sich nicht vom Aussehen oder von bloßen Worten täuschen zu lassen. Es ist nicht allzu schwer, schön zu reden oder Kleidung zu tragen, die einen religiös aussehen lässt. Doch ein guter Mensch zu sein, ist nicht ganz so einfach. Doch das ist es, was in der Sikhi vor allem zählt. Die Weisen betonen, dass der heiligste Ort keine Stätte ist, die von Menschen im Namen der Religion erbaut wurde und besucht werden kann. Sondern es ist das Herz der Menschen, die bescheiden, ehrlich, mutig, geduldig und liebevoll sind. Solch ein Herz wird Gurduara genannt, das Tor zum Göttlichen. Es lässt sich nicht von Gier, Selbstsucht, Hass, Wut oder Rache leiten. Denn solche Gefühle führen dazu, dass Dinge getan werden, die viel Schaden bringen, zum Beispiel wenn Wut zu Hass und Gewalt führt.

Gott ist kein strenger Mann im Himmel

Das Göttliche ist für die Weisen kein strenger Mann mit einem weißen Bart im Himmel, der sauer wird, Rache übt und uns nach dem Tod in eine Hölle schickt, wenn wir Fehler gemacht haben. Das Göttliche wird als Quelle der bedingungslosen Liebe angesehen, die zugleich Mutter und Vater ist. Daher haben Sikhs keine Angst vor dem Göttlichen. Die Weisen schreiben, dass wir im Paradies sind, wenn wir zufrieden und glücklich sind und in der Hölle, wenn wir gerade leiden. Sikhs beten daher nicht, um das Göttliche glücklich zu machen. Sondern sie lesen die Verse der Weisen und beten, um gute Menschen zu werden und Stärke zu finden, wenn sie in einer schwierigen Lage sind. Sikhs wollen auch nicht durch körperliche Handlungen wie Rituale oder Bittgebete weltliche Wünsche erfüllen. Sondern sie beten nur um Erkenntnis, damit sie heilen und zu ihrer eigentlichen seelischen Familie heimkehren können. Daher betonen die Weisen, dass keine Priester benötigt werden. Denn die Menschen können eigenständig in ihren Herzen die Verbindung zum seelischen Ursprung aufbauen, der Licht- und Energiequelle, aus der Alles entstanden ist. Doch der Lichtstrahl, der die Menschen mit der unendlichen Lichtquelle verbindet, verblasst mit der Zeit, wenn er nicht regelmäßig mit Weisheit erhellt und gestärkt wird. Und so denken manche Menschen am Ende sogar, dass wir nur eine Art biologische Roboter seien, ohne Seele und einem tieferen Sinn im Leben.

B) AUFGABEN

  1. Wie wird das Universum in der Sikhi beschrieben.

  2. Welcher Sinn wird im Leben gesehen.

  3. Was ist laut den Weisen der heiligste Ort.

  4. Stehen Taten, Worte oder das Aussehen im Mittelpunkt der Sikhi. Begründe deine Antwort.

  5. Welche Hilfe könnten die Weisheiten dir in deinem Leben leisten.

  6. Welche Rolle spielen Priester und welche Gebete sprechen sie für Sikhs.

  7. Welchen Unterschied macht es für unser Dasein, ob wir biologische Roboter oder beseelte Wesen sind. Erläutere deine Gedankengänge dazu.

C) Geliebt und gefürchtet

Viele Menschen waren sehr berührt von den Worten und Taten der Weisen und begannen Zeit mit ihnen zu verbringen. Bhagat Kabir war einer der Weisen, der sehr bekannt wurde. Viele seiner Überlieferungen sind im Guru Granth Sahib, dem zentralen Werk für Sikhs, enthalten. Und Gur Nanak, der 1469 geboren wurde, spielt eine ganz besondere Rolle in der Sikhi. Wie auch Bhagat Kabir hinterfragte er bereits als Kind die Dinge, die ihm oberflächlich, überflüssig und unehrlich vorkamen und die dafür sorgten, dass Menschen sich im Namen der Religion voneinander abgrenzten und in höherwertige und niederwertige aufgeteilt wurden. Gur Nanak brachte nicht nur seinen Vater, Verwandte und Dorfälteste mit seinen Fragen und Beobachtungen zur Weißglut, sondern auch die Hindu-Priester (Pandit). Denn diese verdienten ihr Geld damit, für die Menschen Rituale durchzuführen, Gebete aufzusagen (Mantar), Bittgebete vor Götterstatuen zu sprechen oder die angebliche Zukunft vorauszusagen. Sie fürchteten, dass sie ihren Einfluss auf das Leben der Menschen verlieren würden.

Gur Nanak, Vater von zwei Kindern, reiste viel. Er sprach mit Gelehrten und Priestern der bestehenden Religionen und brachte diese immer wieder an die Grenzen ihres Wissens und Einsichten. So wurde er allmählich bekannter und fand in Bhai Laihna endlich einen treuen Gefährten, der den Lebensweg der Sikhi fortsetzte. Doch zuvor begann Gur Nanak die vorhandenen Weisheiten über die Seele und das Universum, die bis dahin oft nur mündlich weitergegeben wurden, niederzuschreiben. Damit stellte er sicher, dass die Weisheiten für kommende Generationen bewahrt werden konnten. Auf ihn folgten neun weitere Weise, die die Schriften bewahrten und auch erweiterten. Bewusst überging Gur Nanak seine beiden Söhne Sri Chand und Lakhmi Das bei der Nachfolge. Beide folgten nicht Weisheiten, sondern waren eher selbstverliebt. Sie dachten, dass sie automatisch die Nachfolge ihres Vaters antreten und so zu hohen Ansehen kommen und eine Gefolgschaft aufbauen könnten. Ihr Vater betonte, dass Sikhi auf Qualität und Auswahl beruht und nicht auf Abstammung oder die Größe der Anhängerschaft. Auf Bhai Laihna, der nach Gur Nanak die Lebensweise der Sikhi vorlebte und fortan Gur Angad genannt wurde, folgten unter anderem auch zwei Weise, die körperlich gesehen noch Kinder waren: Gur Har Rai und Har Krishan. Sie waren so weise, dass auch Ältere von ihnen fasziniert und bereit waren, von ihnen zu lernen. Dadurch wurde mit einer weiteren verbreiteten Auffassung gebrochen. Üblicherweise dachten die Menschen, dass körperlich ältere Menschen automatisch alles besser wissen und mehr Respekt genießen sollten.

Immer mehr Menschen waren so berührt durch die Weisen, dass sie alte Denkweisen und Gewohnheiten, die sie seit Kindheit von ihren Eltern und von ihrem Umfeld angenommen hatten, hinter sich ließen. Sie hatten den Mut, das hinter sich zu lassen, was ihnen nicht wirklich dazu verhalf, ein friedliches und gesundes Leben zu führen. Trotz ihrer Beliebtheit blieben die Weisen bescheiden und betonten, dass sie niemals verehrt werden sollten (Gur Kaheya Sa Kar Kamavho Gur Ki Karni Kahe Tavho, GGS 933, M.1). Daher bezeichneten sie sich auch nicht als Heilige oder Weise, sondern als demütige Diener (Das, Jan, Garib), die schlicht die Weisheiten (Gur) des einen Guru, dem Erschaffer allen Seins, mit den Menschen teilten. In den Schriften der Weisen wird daher poetisch zwischen Gur (Botschafter, Weisheit) und Guru (Erleuchter) unterschieden (Phulan Andar Sab Ko Apul Guru Kartar, GGS, 61, M.1; Tera Kavan Guru Jis Ka Tun Chela … Sabad Guru Surat Dhun Chela, GGS, 942, M.1).

Andere jedoch, darunter die damaligen Herrscher und Fürsten sowie hinduistische Priester, fanden die Weisen gefährlich. Denn sie halfen den Menschen zu erkennen, dass kein Mensch höher steht als andere. Sie erklärten, dass kein König oder Priester mehr Wert sei als andere Menschen, niemand unterdrückt und ausgenutzt werden dürfte. Sie betonten die Gelichwürdigkeit aller und das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung. So begann eine Leidensgeschichte für die Sikhs. Sie wurden immer wieder bedroht und schließlich sogar verfolgt. Zwei der Weisen, Gur Arjan und Gur Teg Bahadar, und die vier Kinder des zehnten Weisen Gur Gobind Singh wurden durch die in Indien eingefallenen muslimischen Herrscher getötet, weil sie nicht bereit waren, sich von ihrem Lebensweg loszusagen.

C) AUFGABEN

  1. Warum wurden die ursprünglich gesprochenen Weisheiten aufgeschrieben.

  2. Von wem und warum wurden die Weisen der Sikhi bewundert.

  3. Von wem und warum wurden die Weisen der Sikhi gefürchtet und welche Konsequenzen hatte dies.

D) Der letzte aus der Reihe der zehn Weisen: Gur Gobind Singh

Gur Gobind Singh, der 1666 geboren wurde, war ein Ehemann und Vater. Er verfügte über viele Fähigkeiten. Er war ein begnadeter Dichter, ein bewunderter Verteidigungskünstler und Militärgeneral. Er und seine Mitstreitenden musste viele Verteidigungskriege führen. Dennoch gelang es Gur Gobind Singh, alle Schriften der vorangegangenen Weisen zusammen zu stellen und im dem Gesamtwerk Guru Granth Sahib zu vereinen. Zudem hinterließ er eine ähnlich große Schriftensammlung, den Dasam Granth, der seine eigenen Dichtungen sowie seelische Erklärungen altindischer Mythen enthält.

Khalsa: Die Gemeinschaft der Reinen

1699 schuf Gur Gobind Singh den Orden der Reinen, der Khalsa genannt wird. Während des Erntedankzeit Vaisakhi rief er eine öffentliche Versammlung in Anandpur Sahib, im Panjab im heutigen Nord-Indien ein. Er bat um Freiwillige, die bereit wären, furcht- und selbstlos ihr Leben dem Wohle der Menschheit zu widmen. Letztlich traten fünf Sikhs aus der Menge hervor. Diese fünf Sikhs gingen in die Geschichte der Sikhi ein. Sie werden die Fünf Geliebten genannt (Panj Piare). Sie repräsentieren bis heute das Prinzip, dass die Charaktereigenschaften einen für zentrale Aufgaben in der Sikhi befähigen und nicht eine Wahl, die auf Mehrheiten beruht. Nach der Aufnahmefeier in den Orden bekamen alle fünf die Nachnamen Singh. Anschließend ließ sich Gur Gobind Singh selbst demütig von den Fünf Geliebten in den Khalsa aufnehmen und nannte sich nicht mehr Gobind Rai, sondern Gobind Singh. Seither werden Sikhs, die so viel Weisheit und Mut in sich tragen, dass sie als Vorbilder dienen, durch die Aufnahmefeier (Khande Di Pahul) in den Orden des Khalsa aufgenommen.

1708 wurde Gur Gobind Singh beim Ausruhen angegriffen und schwer verletzt. Er erlag seinen Verletzungen und verließ seinen Körper wie zuvor bereits seine vier Söhne (bekannt als die Char Sahibzade) und unzählige mutige Sikhs, die in Verteidigungsschlachten und durch Hinrichtungen ihr Leben gaben. Bis heute wird ihren Heldendaten gedacht.

D) AUFGABEN

  1. Welche Rolle spielt Gur Gobind Singh in der Sikhi.

  2. Welche Gemeinschaft hat er gegründet, und welchen Sinn hat sie.

E) Trotz jahrhundertelanger Verfolgung: Heute leben Sikhs in allen Ländern der Welt

Trotz der erlebten Verfolgung, Gewalt und Kolonisierung durch die Mächtigen im Verlaufe der Geschichte, darunter Hindus, Muslime und die Briten, überlebten die Sikhs und die Weisheiten und Traditionen der Sikhi. Heute sehen sich 25 Millionen Menschen auf der Welt der Sikhi angehörig. Die Mehrheit der Sikhs lebt dort, wo die Religion entstanden ist, im Panjab, in Nord-Indien. Inzwischen haben sich zudem große Gemeinschaften der Sikhs unter anderem in Großbritannien, Kanada, USA und Australien gebildet. Es gibt mehrere berühmte Sikhs, die Präsidenten oder Minister waren. In Deutschland, Österreich und der Schweiz leben etwa 35.000 Sikhs. Sie sind vor allem seit den 1980ern zugezogen, weil sie in Indien als Minderheit Probleme hatten.

Überall auf der Welt tragen Sikhs zu einem guten Miteinander bei. Dabei trotzen sie Mobbing, Beleidigungen und Benachteiligungen, die sie immer wieder im Alltag, in Bildungsstätten, bei der Arbeits- und Wohnungssuche aufgrund ihres Erscheinungsbildes erfahren. Sikhs sind heute in allen Bereichen der Gesellschaft beruflich tätig und bringen sich auf vielfältige Weise ehrenamtlich ein, nicht nur in ihren Gemeinden. Nach Jahrhunderten der Entfremdung von ihrer ursprünglichen Lebensweise besinnen sie sich nach und nach wieder mehr auf ihre Weisheiten und Traditionen.

F) AUFGABEN

  1. Benenne sechs Besonderheiten der Sikhi und erläutere ihren jeweiligen Sinn.

  2. Begründe, was dir bei der Erarbeitung des Textes zur Sikhi fremd geblieben ist.

  3. Erläutere, welche Erkenntnisse dich bei der Erarbeitung des Textes zur Sikhi besonders angesprochen haben und begründe, inwiefern diese auch für dein Leben eine Bedeutung haben könnten.

  4. Stelle Vermutungen darüber an, welche Auswirkungen sich für den Umgang mit der Natur, Tieren und dem Zusammenleben der Menschen untereinander ergeben würden, wenn sich mehr Menschen für ein Leben gemäß den beschriebenen Weisheiten entscheiden würden.

Vers aus den Schriften der Weisen

Eine Unendliche Einheit. Erfahrbar durch die Gnade seelischer Weisheit. Geliebter, mein geliebter, du bist mir immer ganz nah, mein Geliebter. Du, der wertvoller bist als das vergängliche Leben, ja wertvoller als das vergängliche Leben, mit meinen inneren Augen habe ich dich erkannt, du der wertvoller bist als das vergängliche Leben. Mit meinen inneren Augen habe ich dich erfahren, du der in allem weilst mit deiner unergründlich und unsterblich machenden Süße. Du, der immerfort bei uns bist und doch nicht gefunden werden kann. Doch die, die berauscht sind von der vergänglichen Welt, können die Täuschung der Dualität nicht überwinden und geben sich alltäglichem Tratsch hin. Nanak, ohne seelische Weisheit ist kein Erkennen des nahstehenden Geliebten möglich.

ਰਾਮਕਲੀ ਮਹਲਾ ੫ ਛੰਤ
ੴ ਸਤਿਗੁਰ ਪ੍ਰਸਾਦਿ ॥
ਸਾਜਨੜਾ ਮੇਰਾ ਸਾਜਨੜਾ ਨਿਕਟਿ ਖਲੋਇਅੜਾ ਮੇਰਾ ਸਾਜਨੜਾ ॥ ਜਾਨੀਅੜਾ ਹਰਿ ਜਾਨੀਅੜਾ ਨੈਣ ਅਲੋਇਅੜਾ ਹਰਿ ਜਾਨੀਅੜਾ ॥ ਨੈਣ ਅਲੋਇਆ ਘਟਿ ਘਟਿ ਸੋਇਆ ਅਤਿ ਅੰਮ੍ਰਿਤ ਪ੍ਰਿਅ ਗੂੜਾ ॥ ਨਾਲਿ ਹੋਵੰਦਾ ਲਹਿ ਨ ਸਕੰਦਾ ਸੁਆਉ ਨ ਜਾਣੈ ਮੂੜਾ ॥ ਮਾਇਆ ਮਦਿ ਮਾਤਾ ਹੋਛੀ ਬਾਤਾ ਮਿਲਣੁ ਨ ਜਾਈ ਭਰਮ ਧੜਾ ॥ ਕਹੁ ਨਾਨਕ ਗੁਰ ਬਿਨੁ ਨਾਹੀ ਸੂਝੈ ਹਰਿ ਸਾਜਨੁ ਸਭ ਕੈ ਨਿਕਟਿ ਖੜਾ ॥੧॥
Guru Granth Sahib, 924, M.5

Sikhs lesen regelmäßig die Schriften der Weisen. Sie singen diese auch in Begleitung von Instrumenten, Tabla und Harmonium, wie im Bild in einer deutschen Sikh-Gemeinde zu sehen. Dies hilft, mit den Weisheiten in Verbindung zu bleiben. Beim Singen und Zuhören wird ein Gefühl des Friedens und der tiefen Verbundenheit mit dem Göttlichen erzeugt. Zudem hilft es, die Texte, die sich oft reimen, von Kind an auswendig zu lernen. Später erleichtert es, die schwierigen Texte, die in der Schriftsprache Gurmukhi geschrieben sind, zu verstehen und zum Leben zu erwecken. Foto: Ferhat Bouda

In den meisten Ländern der Welt haben sich Sikh-Gemeinden etabliert. Hier helfen Sikh-Kinder beim Verteilen kostenloser Speisen in einer deutschen Gemeinde. Dahinter steckt der Gedanke, dass die vorgetragenen Weisheiten aufmerksam aufgenommen und ein Teil des Lebens werden. Die Weisen sprechen von Langar, die Nahrung für die Seele. In den Sikh-Gemeinden sind alle Menschen, unabhängig vom Hintergrund, willkommen. Bedürftige wie Flüchtlinge und Obdachlose erhalten kostenloses Essen und Unterstützung. Bild: Ferhat Bouda

E) AUFGABEN

  1. Wo leben die meisten Sikhs heute und wie viele im deutschsprachigen Raum.

  2. Zeige auf, vor welche Herausforderungen Sikhs heute gestellt sein können.

  3. Versetzte dich in die Lage von Sikhs und anderer Menschen, die ausgegrenzt, beleidigt oder gemobbt werden und erläutere, welche Gefühle sich dabei bei den Betroffenen einstellen können.

  4. Überlege, warum es immer wieder vorkommt, dass Kinder und Jugendliche gemobbt werden und erläutere drei Ideen, die helfen könnten, dass es zu weniger Mobbing kommt.

  5. Warum gibt es in den Gemeinden der Sikhs kostenfreies Essen?

F) Die Besonderheiten der Sikhi

In der Sikhi finden wir viele Besonderheiten, die die Einzigartigkeit dieser Lebensweise zeigen, darunter

  • eine eigne Schriftsprache (Gurmukhi).

  • eine eigene Poesie (Gurbani), die in den Schriften der Weisen verwendet wird.

  • eine eigene Musikrichtung (Gurbani Sangeet).

  • eine eigene Verteidigungskunst (Shastar Vidya, Gatka).

  • kostenfreies Essen für Bedürftige. Sikhs bieten an öffentlichen Plätzen oder in ihren Gemeinden Speisen für alle Besuchenden und Bedürftige an und verteilen diese in Notsituationen. So unterstützen Sikhs weltweit Opfer von Hungersnöten, Naturkatastrophen und Pandemien.

  • gemeinsame Nachnamen. Als Zeichen von Geschwisterlichkeit tragen weibliche Sikhs den Nachnamen Kaur (Prinzessin) und männliche Sikhs den gemeinsamen Nachnamen Singh (Löwe).

  • ein besonderes Erscheinungsbild. Sikhs bewahren ihr Haar ungeschnitten und bedecken es üblicherweise. Damit drücken sie Natürlichkeit, Würde und Liebe zum Schöpfer und der Natur aus. Kleine Sikh-Jungen verwenden ein Stofftuch (Rumal oder Patka), um das in der Kopfmitte zu einem Dutt zusammengebundene Haar zu bedecken. Die Kopfbedeckung wird täglich neu gebunden. Später, wenn Sikhs älter werden, tragen sie einen Turban. Er sieht nicht nur schön aus, sondern bietet Schutz vor Hitze, Kälte und Kopfverletzungen.

  • ein Orden, in der vorbildliche Sikhs aufgenommen werden. Diese Gemeinschaft wird Khalsa (Reinen) genannt. Die Schriften von Gur Gobind Singh sind von besonderer Bedeutung bei der Aufnahmefeier und für diese Gemeinschaft. Spätestens jetzt tragen alle, die ihr angehören, gemeinsame Nachnamen, Männer Singh (Löwe) und Frauen Kaur (Prinzessin). Zudem erkennt man Sikhs dieser Gemeinschaft an fünf einheitlichen Merkmalen, den Panj Kakar:

  1. ungeschnittene und bedeckte Haare - stehen für Natürlichkeit und Hingabe und die Kopfbedeckung für Würde und Tugendhaftigkeit (Keski, Kes)

  2. Holzkamm - steht für Reinheit; damit werden die Haare täglich gekämmt (Khanga)

  3. eiserner Armreif - steht für Heldentum; mehrere Armreifen zusammen wurden bei Verteidigungsschlachten getragen, um sich vor Schwerthieben und Angriffen zu schützen (Karha)

  4. Baumwollshorts - stehen für charakterliche Stärke und Verantwortung; sie bedecken den Unterkörper und sind bequem (Kashaira)

  5. kleines Schwert - steht für die Gnade der Weisheit, die das Schlechte beseitigt und das Gute bewahrt; Schwerter wurden seit dem sechsten Weisen Gur Hargobind zur Selbstverteidigung getragen, nachdem Sikhs immer öfter verfolgt und angegriffen wurden (Kirpan)