Tag der Religionen – Gelebte Spiritualität im Alltag: ਦਦਾ ਦਾਤਾ ਏਕੁ ਹੈ ਸਭ ਕਉ ਦੇਵਨਹਾਰ ॥

Eingerahmt wurde der Tag der Religionen im Frankfurter Rathaus am Römerberg mit Rezitationen und Inspirationen aus den verschiedensten religiösen Traditionen, darunter auch aus der Sikhi. Credits: Rat der Sikhi 

Tag der Religionen im Frankfurter Römer: Religion im Alltag

Unter dem diesjährigen Motto „Religion im Alltag“ lud am 22. Juni 2025 die Stadt Frankfurt am Main gemeinsam mit dem Rat der Religionen Frankfurt zum achten Mal in die ehrwürdigen Römerhallen ein. Im Rat sind Ahmadiyya, Baha‘i, Buddhisten, Christen, Hindus, Juden, Mormonen (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage), Muslime und Sikhs vertreten. 2012 wurde der Rat der Religionen Frankfurt mit dem Integrationspreis der Stadt Frankfurt und 2019 mit dem Hessischen Integrationspreis ausgezeichnet.

Schätzungsweise über 1000 Besuchende nutzten die Gelegenheit, die in Frankfurt lebenden Religionsgemeinschaften näher kennen zu lernen, Fragen zu stellen und Impulse für ein friedliches und gemeinwohlorientiertes Zusammenleben mitzunehmen. Die Veranstaltung, die als größtes interreligiöses Dialogformat im Rhein-Main-Gebiet gilt, setzte in diesem Jahr bewusst einen alltagsnahen Schwerpunkt. Denn: Religion zeigt sich eben nicht nur in an als heilig angesehenen Räumen und Stätten – sie wirkt im Alltag, im Miteinander, im Zuhören, im Dienen, durch Fürsorge und in aufrichtiger Verbundenheit mit allem Lebendigen und der Natur.

Ein Zeichen des Miteinanders in schwierigen Zeiten

Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg und die Vertreterinnen und Vertreter des Rates der Religionen betonten die Bedeutung von religionsübergreifenden Begegnungstagen gerade in gesellschaftlich schwierigen Zeiten. Sie hoben hervor, dass der Tag der Religionen symbolisch zeigt, dass Deutschland ein Land der Vielfalt ist, in dem an vielen Orten Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten tagtäglich Respekt und Solidarität mit Hingabe leben, sich gegen alle Formen von Extremismus einsetzen und zum Gemeinwohl des Landes beitragen.

Sikhi sichtbar und hörbar

Auch die Lebensweise der Sikhi war in diesem Jahr vertreten. Am Infostand gab es nicht nur gerahmte Übersetzungen des Eröffnungsverses der überlieferten zeitlosen spirituellen Weisheiten und Informationen zur Sikhi. Besuchende konnten auch ihren Namen in Gurmukhi kalligraphieren, vegane Energieballs genießen, ein Labyrinth der Tugenden durchlaufen, Blumensamen der Tugend zum Einpflanzen mitnehmen und spirituellen Rezitationen lauschen. Im Gespräch wurde den Besuchenden deutlich, dass Sikhi eine ganzheitliche, naturverbundene und gesundheitsbewusste Lebensweise ist, die Weisheit mit praktischer Alltagsverantwortung verbindet. Den Besuchenden wurde folgende Inspiration mitgegeben:

Der Eine Geber versorgt alle: ਦਦਾ ਦਾਤਾ ਏਕੁ ਹੈ ਸਭ ਕਉ ਦੇਵਨਹਾਰ ॥

Wenn wir über Religion im Alltag sprechen oder nachdenken, denken wir oft an Rituale, Gebete oder Besuche von bestimmten Orten. Also an Dinge, die wir tun, wenn wir Zeit haben, wenn etwas Besonderes oder einschneidend passiert oder wenn wir leiden. Der folgende Vers aus den überlieferten, zeitlosen Weisheiten, die im Herzen der Lebensweise der Sikhi stehen, erinnert uns an die tiefe Bedeutung von Spiritualität im Alltag. Dabei geht es um unser Sein – im Jetzt. Hier und heute.

Der Vers beginnt sinngemäß mit den Worten: „Der Eine Geber versorgt alle.“

ਦਦਾ ਦਾਤਾ ਏਕੁ ਹੈ ਸਭ ਕਉ ਦੇਵਨਹਾਰ ॥ GGS, 257, M.5

Alles, was wir zum Leben benötigen, wird uns als Geschenk bedingungslos bereitgestellt: die Luft zum Atmen, das Wasser zum Trinken, die Erdanziehung, um am Boden zu bleiben, die Sinnesorgane, um wahrzunehmen, die Nahrungsmittel der Natur, um Energie zu tanken, Liebe und Freundschaften, um in Verbindung zu sein und zu wachsen, und Humor, um die Widrigkeiten im Leben zu ertragen. Die Kreativität des Schöpfers, die durch die Natur und uns erfahrbar wird, bewahrt und verändert das Leben gleichermaßen. Und so geben und geben die unerschöpflichen göttlichen Schatzkammern unaufhörlich.

Oh mein Herz, warum vergisst du das Göttliche in dir?

Lasst uns in der Hektik des Alltags nicht das Licht, die Kraft des Göttlichen vergessen, die uns trägt. Lasst uns bewusst vor Augen führen, dass wir Teil eines liebevoll geführten Ganzen sind. Lasst uns unsere Prägungen reflektieren – damit wir unsere Entfremdung von unserem seelischen Kern überwinden mögen.

Spiritualität heißt zuallererst: wach sein, verbunden sein, in Liebe sein – und zwar im Alltag. Beim Kochen, beim Zuhören, im Stau, beim Warten an der Kasse, auf der Arbeit, in der Schule und im Kindergarten ebenso wie beim Tag der Religionen.

Wenn wir spüren, dass alles durch etwas Größeres getragen wird, dann wird jeder Moment heilig. Und wir demütig. Dann verstehen wir auch den tieferen Sinn der Dastar, des Turbans: Er ist eine Erinnerung, würdevoll und gleichwohl bescheiden zu leben.

Gurmukh, wahrhaft spirituelle Menschen, fühlen sich innerlich erfüllt – unabhängig von den Umständen. Nicht weil sie alles haben. Nicht weil ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Sondern weil sie verbunden sind mit dem Fluss des Lebens – dem Nam und dem Hukam. Und so geben sie weder anderen noch dem Leben die Schuld, wenn es herausfordernd wird.

Spiritualität ist eine lebendige Erinnerung unseres seelischen Daseins. Wir sind keine biologischen Roboter. Wir sind beseelte Wesen auf einer mystischen Reise – einer Reise, auf der wir nach und nach lernen, eine Haltung der Dankbarkeit, der Achtsamkeit und der tiefen Liebe zum Schöpfer und zur Schöpfung zu entwickeln. Jetzt. Hier. In jedem Atemzug.

Übersetzung der rezitierten Verse

ਪਉੜੀ ॥
ਦਦਾ ਦਾਤਾ ਏਕੁ ਹੈ ਸਭ ਕਉ ਦੇਵਨਹਾਰ ॥
Der Eine Geber versorgt alle.

ਦੇਂਦੇ ਤੋਟਿ ਨ ਆਵਈ ਅਗਨਤ ਭਰੇ ਭੰਡਾਰ ॥
Sein Geben kennt keine Grenze – endlos sind dessen Schatzkammern.

ਦੈਨਹਾਰੁ ਸਦ ਜੀਵਨਹਾਰਾ ॥
Der Geber ist der ewige Lebensspender.

ਮਨ ਮੂਰਖ ਕਿਉ ਤਾਹਿ ਬਿਸਾਰਾ ॥
O törichtes Herz – warum vergisst du das Göttliche in dir?

ਦੋਸੁ ਨਹੀ ਕਾਹੂ ਕਉ ਮੀਤਾ ॥
Niemandem ist Schuld zu geben, O Freund.

ਮਾਇਆ ਮੋਹ ਬੰਧੁ ਪ੍ਰਭਿ ਕੀਤਾ ॥
Die Fesseln der Illusion hat das Göttliche selbst erschaffen.

ਦਰਦ ਨਿਵਾਰਹਿ ਜਾ ਕੇ ਆਪੇ ॥
Schmerz heilt nur aus sich selbst heraus.

ਨਾਨਕ ਤੇ ਤੇ ਗੁਰਮੁਖਿ ਧ੍ਰਾਪੇ ॥੩੪॥
Nanak: Nur jene, die Gurmukh (spirituelle Menschen) sind, werden innerlich erfüllt. GGS, 257, M.5

Am Infostand der Sikhi gab es nicht nur gerahmte Übersetzungen des Eröffnungsverses der überlieferten zeitlosen spirituellen Weisheiten (Gurbani). Besuchende konnten ihren Namen in Gurmukhi kalligraphieren, vegane Energieballs verzehren, ein Labyrint der Tugenden durchlaufen und Blumensamen der Tugenden mit nach Hause nehmen und einpflanzen. Credits: Rat der Sikhi

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