Wenn das ganze Universum heilig ist: Generationenübergreifender Dialog zum Umwelt- und Klimaschutz
Menschen aus den verschiedensten Traditionen und Hintergründen sprachen bei einem Themenabend in Köln über Religion und Umweltschutz. Dabei wurde ausgehend von den Einsichten der Sikhi deutlich: Umweltschutz beginnt im Herzen. Wer das Universum als heilig begreift, handelt achtsam – überall, nicht nur in Gotteshäusern. Nachhaltigkeit entsteht durch Bewusstsein, Eigenverantwortung und Liebe zu Mensch, Tier und Natur. Jeder kann den Wandel leben – unabhängig von Politik oder Trends. Credits: Rat der Sikhi
Ein generationenübergreifender Themenabend zu Schute von Mutter Erde
In Köln fand heute am 28.10.2025 etwas Besonderes statt: Ein generationenübergreifender Themenabend mit Menschen aus verschiedenen religiösen Traditionen, die über ein Thema sprachen, das uns alle betrifft: Wie können wir Mutter Erde schützen? Das dis keine theoretische Frage ist, sondern eine Existenzielle, verdeutlichen allein die folgenden drei Tatsachen:
Etwa 130 Kilogramm Essensmüll produziert eine Person in der EU jährlich (Eurostat, Food waste statistics in the EU, 2023). Heute gelangt im Schnitt mehr als ein LKW voll Plastikmüll pro Minute in die Meere; dies sind etwa 14 Millionen Tonnen pro Jahr (International Union for Conservation of Nature, IUCN, Marine Plastic Pollution – Issues Brief, 2024). Die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Agenda 2030 der UN ist in weite Ferne gerückt (United Nations, The Sustainable Development Goals Report 2024).
Weisheiten mit Aha-Momenten
Der inspirierende Themenabend fand unter dem Motto “Von Moral zu Politik” statt. Er wurde organisiert von An-Nusrat NRW e.V. in Kooperation unter anderem mit der Bundeszentrale für politische Bildung. Das Zusammenkommen hat gezeigt, wie wir gemeinsam, auch religionsübergreifend, Verantwortung für unseren Planeten übernehmen können. Die Atmosphäre der Zusammenkunft war geprägt von Liebe, Respekt und Offenheit. In der Podiumsdiskussion zu Beginn wurden auch Einsichten aus der spirituellen und weisheitsorientierten ganzheitlichen Lebensweise der Sikhi geteilt. Die Teilnehmenden, denen Gur Nanak, Bhagat Kabir und Sheikh Farid bekannt waren, drückten ihre Bewunderung und Wertschätzung für die Weisen und die ihnen offenbarten Weisheiten der Gurbani aus.
Die Einsichten der Sikhi, die Khushwant Singh vortrug, berührten die Herzen der Teilnehmenden - darunter Schülerinnen und Schüler, Studierende, Mütter und Väter sowie Rentnerinnen und Rentner. Und so verlagerten sich die Diskussion immer mehr vom Außen und technischen Aspekten ins Innere und drangen zum Ursprung von Umweltverschmutzung vor: Unsere innere Verschmutzung durch Egoismus, Unersättlichkeit und unser unbewusstes Handeln im Alltag. Dabei erlebten die Teilnehmenden einige Aha-Momente. Dazu gehörte die Erkenntnis: Wenn wir das ganze Universum als heilig ansehen, verhalten wir uns nicht nur in Gotteshäusern fromm, sondern an jedem Ort auf diesem wunderbaren Planeten, unserer Mutter Erde.
Die Stimmen der Teilnehmenden zeugten von ehrlicher Reflexion über ihre Aha-Momente. Eine junge Mutter berichtete: “Wir wollten für unser Kind ein neues Tablet kaufen, obwohl das bisherige gut funktioniert. Jetzt wird mir nochmals klarer, wie sehr wir in unbewussten Routinen stecken. Wir brauchen eigentlich gar kein neues Tablet.” Ein Jugendlicher erzählte: “Ich hatte heute eine Plastiktüte in der Hand, die vom Wind weggeweht wurde. Ich habe mich nicht weiter darum gekümmert. Aber jetzt merke ich, dass ich nicht aufmerksam war - und das auf dem Weg zu einer Tagung zu Umweltschutz. Ab jetzt möchte ich bewusster durch Leben gehen.” Ein Studierender meinte: “Eigentlich haben die Worte von Herrn Singh mein Herz berührt. Aber weil er nicht meiner Religion angehört, wollte ich sie wegdrücken. Jetzt habe ich erkannt, dass es mein Ego war. Es kommt auf den Inhalt an und nicht die Herkunft.” Eine weitere Teilnehmerin betonte: “Solange es uns nicht gelingt, grundlegend unsere Bildung mitsamt den Bildungsplänen zu verändern, ist es sehr schwer, erforderliche Veränderungen in der Breite zu erzielen.“
Die Kraft der Selbstveränderung und der Vierklang der Reinheit
Im Verlaufe des Abends wurde zunehmend klar: Umweltschutz ist nichts Abstraktes und schon gar keine moralische Pflichtübung oder die Verantwortung der Politik allein. Umweltschutz ist ein Akt der Hingabe. Umweltschutz zeugt davon, dass wir unsere Rolle als beseelte Gäste in der Diaspora des Lebens auf der Erde annehmen. Ausgangspunkt für die weiteren Gespräche war dann auch die Einsicht: Umweltschutz beginnt bei uns selbst. Es geht darum, die eigene Seele, den Körper, den eigenen Wohnraum und die unmittelbare Umwelt reinzuhalten. Dieser Vierklang bildet ein solides Fundament eines ganzheitlichen und ethischen Lebens.
ਭਰੀਐ ਹਥੁ ਪੈਰੁ ਤਨੁ ਦੇਹ ॥ ਪਾਣੀ ਧੋਤੈ ਉਤਰਸੁ ਖੇਹ ॥ ਮੂਤ ਪਲੀਤੀ ਕਪੜੁ ਹੋਇ ॥ ਦੇ ਸਾਬੂਣੁ ਲਈਐ ਓਹੁ ਧੋਇ ॥ ਭਰੀਐ ਮਤਿ ਪਾਪਾ ਕੈ ਸੰਗਿ ॥ ਓਹੁ ਧੋਪੈ ਨਾਵੈ ਕੈ ਰੰਗਿ ॥ ਪੁੰਨੀ ਪਾਪੀ ਆਖਣੁ ਨਾਹਿ ॥ ਕਰਿ ਕਰਿ ਕਰਣਾ ਲਿਖਿ ਲੈ ਜਾਹੁ ॥ ਆਪੇ ਬੀਜਿ ਆਪੇ ਹੀ ਖਾਹੁ ॥ ਨਾਨਕ ਹੁਕਮੀ ਆਵਹੁ ਜਾਹੁ ॥੨੦॥ GGS, 4, M.1
Darauf aufbauend kann sich jeder in seinem eigenen Lebensumfeld in zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens einbringen: Sei es in der Gemeinde, in der Politik oder in der Bildungsarbeit und der Entwicklung von wertegeleiteten Curricula.
In zwei Workshops erarbeiteten die Teilnehmenden konkrete Handlungsmöglichkeiten für sich selbst. Eine zentrale Erkenntnis kristallisierte sich heraus: Wenn wir uns selbst vornehmen, uns zu verändern, gibt es niemanden, der uns daran hindern kann. Verhaltensänderung beginnt mit Herzensbildung, einer bewussten Lebensweise und dem Mut, auch gegen Mehrheitsmeinungen und aktuelle Trends zu gehen. Dazu braucht es Eigenverantwortung. Aus der Liebe für das eigene Wohl sowie für das unserer Mitmenschen, der Tierwelt und der Natur, entsteht nachhaltiger Umwelt- und Klimaschutz. Niemand braucht darauf zu warten, dass Politik oder Dritte etwas an den Rahmenbedingungen verändern. Wir können JETZT in unserem Lebensumfeld beginnen. Was es braucht? Den Mut, die eigene Komfortzone zu verlassen.
Kleine Schritte, große Wirkung
Ausgehend von den gewonnene Grundeinsichten wurden die Gruppen praktisch. Die Teilnehmenden nahmen sich vor:
den Müll zu trennen
bewusster zu konsumieren, damit weniger Lebensmittel weggeworfen werden müssen
saisonal und regional einkaufen
gesünder zu leben sowie Bioprodukte zu bevorzugen
nur das einkaufen, was für ein würdevolles Leben benötigt wird
den Wasserhahn etwas weniger aufzudrehen
Solarenergie zu nutzen, beispielsweise über Balkonkraftwerke
wenn möglich, zu Fuß, mit dem Roller bzw. Rad oder mit öffentlichem Nahverkehr zur Arbeit
bei einer Neuanschaffung ein Elektroauto zu kaufen
Dabei wurde deutlich: Wir sind keine willenlosen Konsumenten, sondern können, wenn wir uns die Mühe machen, bewusster entscheiden, welche Produkte wir kaufen wollen oder aus ethischen Gründen ablehnen.
Heute anders leben als gestern: Existenzielle Fragen, die uns alle bewegen
Beim gemeinsamen Abendessen, welches von ehrenamtlichen Helfenden zubereitet wurde, wurden die Gespräche persönlicher. Besonders die Jugendlichen stellten Khushwant Singh auch persönliche Fragen: Wie können sie die innere Leere, die sie manchmal empfinden, überwinden? Wie können sie in einer kapitalistischen Gesellschaft, die immer stärker materiell orientiert ist und gerade durch sogenannte soziale Medien immer oberflächlicher wird, ein bewusstes Leben führen? Wie gelingt ein Leben in Freiheit, dass sich nicht an allgemeinen Trends und Gruppenzwang orientiert?
Die Fragen machten deutlich, wonach sich viele junge Menschen sehnen: nach Liebe, nach Gemeinschaft, nach Tiefe, nach Sinn, und nach einer Lebensweise, die mehr ist als Konsum, Rausch, das Ausleben von Gelüsten und Schnelllebigkeit. Um sich auch nach dem Abend mit diesen Fragen befassen zu können, baten die Teilnehmenden und Organisatoren darum, bestehende Artikel, Beiträge, WisdomTalk Podcasts und Publikationen zu diesem Themenfeld zu teilen, um die eingeleiteten Reflexionsprozesse weiterzuführen.
Ein Anfang, der nach Fortsetzung ruft
Der Themenabend inspirierte die Anwesenden dazu, weitere Austauschformate zu verabreden und dabei weiterhin interreligiös zu kooperieren. Gurlal Singh und Khushwant Singh luden die Organisatoren und Teilnehmenden herzlich ein, eine ähnliche Veranstaltung im kommenden Jahr im Rhein-Main-Gebiet zu organisieren.
Dankbarkeit
Der Themenabend wurde von An-Nusrat NRW e.V. in Kooperation unter anderem mit der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert in der Ahmadiyya Muslim Gemeinde organisiert. Der Verein ist seit 2023 im Bereich der Umweltbildung tätig und als Bildungsträger bei der Bundeszentrale für politische Bildung anerkannt. Die Mitglieder engagieren sich ehrenamtlich und auch in der Lokalpolitik für eine lebenswerte Zukunft.
Den Organisatoren sowie dem gesamten Team, die diesen wichtigen Austausch ermöglichten, gilt ein großer Dank - besonders Zeeshan Mahmood und Noman Malik. Solche Abende zeigen: Wenn verschiedene Traditionen und Generationen in Liebe und Offenheit zusammenkommen, entstehen Räume, in denen eine echte Herzensverbindung und Veränderung möglich wird. Nicht durch große Reden, sondern durch die gemeinsame Entscheidung, heute anders zu leben als gestern.