Sikhi Sommercamp 2025: Liebe, Selbsterkenntnis & Weisheiten im Alltag leben

Das Sikhi Sommercamp war geleitet von dem Motto: Liebe, Selbsterkenntnis sowie spirituelle Weisheiten und Tugenden in den Alltag bringen. Das herzliche Miteinander, der Humor und die Freude waren bei allen Aktivitäten hindurch spürbar. Begonnen und beendet wurde das Camp mit dem symbolischen Ewigen Kreislauf: Alles im Leben ist miteinander verbunden. Gemeinsam können wir unser Leben einfacher und mit Lebensfreude gestalten. Und wenn wir erkennen, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind, lernen wir intuitiv, liebevoll und achtsam miteinander umzugehen. Credits: Rat der Sikhi 

Sikh Sommercamp mit Herzlichkeit und Humor

Mitte Juli kamen im Amt für multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt (AmkA) Teilnehmende verschiedener Altersgruppen zusammen, um gemeinsam ein außergewöhnliches Sommercamp zu erleben. Was dieses Camp besonders machte, war nicht nur die Vielfalt der Altersgenerationen, sondern das gemeinsame Lernen, Kochen, herzliche Miteinander, der Humor und die Freude, die durch alle Aktivitäten, Ausflüge zur Polizei und Feuerwehr und die Abschlusswanderung hindurch spürbar wurden.

A) Kernthemen und Kennenlernen

Ausgehend von den überlieferten Weisheiten, die Gurbani genannt werden und im Herzen der Sikhi stehen, stand dabei folgender Dreiklang im Zentrum der Woche:
Liebe, Selbsterkenntnis sowie spirituelle Weisheiten und Tugenden im Alltag zu leben.

ਸਾਚੁ ਕਹੋਂ ਸੁਨ ਲੇਹੁ ਸਭੈ ਜਿਨ ਪ੍ਰੇਮ ਕੀਓ ਤਿਨ ਹੀ ਪ੍ਰਭੁ ਪਾਇਓ ॥੯॥੨੯॥ DG, 12

ਮਨ ਤੂੰ ਜੋਤਿ ਸਰੂਪੁ ਹੈ ਆਪਣਾ ਮੂਲੁ ਪਛਾਣੁ ॥ GGS, 440, M.3

ਸਤਿਗੁਰ ਕੀ ਬਾਣੀ ਸਤਿ ਸਰੂਪੁ ਹੈ ਗੁਰਬਾਣੀ ਬਣੀਐ ॥ GGS, 304, M.3

Die Fünf Geliebten

Jugendliche und Erwachsene gestalteten eine Woche voller Erkenntnisse, praktischer Erfahrungen und spiritueller Tiefe. Inspiriert von den Panj Piare - den ersten Fünf Geliebten der Gemeinschaft der Reinen, dem Khalsa - stellten die Teilnehmenden zunächst gemeinsam fünf Haltungen für ein gutes Miteinander auf:

1. aktiv teilnehmen, 2. respektvoll miteinander umgehen, 3. genau zuhören, 4. sich gegenseitig helfen, 5. einander ausreden und nicht ablenken lassen.

Anschließend stellte sich die Gruppe vorher. Die Vorstellungsrunde wurde verbunden mit Erklärungen zur traditionellen Begrüßung und der Namenstradition der Sikhi und den jeweiligen Bedeutungen der Namen der anwesenden Kinder und Jugendlichen.

Alles ist verbunden – Der ewige Kreislauf des Lebens

Begonnen und beendet wurde das Camp mit einer berührenden Übung, die Ewiger Kreislauf genannt wurde. Dabei wurde auch körperlich spürbar: Alles im Leben ist miteinander verbunden wandelt sich ständig. Es gibt keinen Anfang und kein Ende – nur Bewegung, Verbindung und Transformation. Bei der Übung nehmen zunächst zwei Teilnehmende, die sich gegenüberstehen, ihre Hände so zusammen, dass ein Dach entsteht. Sie stehen dabei so, dass eine dritte Person unter dem Dach hindurch gehen kann. Die Person, die unter dem Dach durchgelaufen ist, bildet mit der nächsten Person ein neues Dach. So entsteht nach und nach ein Tunnel und der Kreis wächst und wächst. Nachdem die letzte Person der Gruppe hindurchgegangen ist, läuft die erste Person durch den Tunnel und setzte so den Ewigen Kreislauf fort.

Und so entstand beim Camp zu Beginn und zum Abschluss ein lebendiger Kreis, der ewig hätte weitergehen können - getragen von der Zusammenarbeit und Bewegung der Gemeinschaft. Diese Übung machte auch eindrücklich erfahrbar: Gemeinsam, wenn wir uns gegenseitig stützen, können wir unser Leben einfacher und mit Lebensfreude gestalten. Und wenn wir erkennen, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind, lernen wir intuitiv, liebevoll und achtsam miteinander umzugehen.

Film mit Highlights aus dem Sikhi Camp 2025. Credits: Rat der Sikhi

Ik Oankar – Gekommen und eins zu werden

Die Tage im Camp wurden eingerahmt von hingebungsvollen Rezitationen, vor allem des Eröffnungsverses aus den überlieferten zeitlosen spirituellen Weisheiten. Dabei handelt es sich um eine Annäherung an das Göttliche (Guru) und unsere Entfremdung davon.

ੴ ਸਤਿ ਨਾਮੁ ਕਰਤਾ ਪੁਰਖੁ ਨਿਰਭਉ ਨਿਰਵੈਰੁ ਅਕਾਲ ਮੂਰਤਿ ਅਜੂਨੀ ਸੈਭੰ ਗੁਰ ਪ੍ਰਸਾਦਿ ॥ GGS, 1, M.1

Eine unendliche Einheit
Essenz der Wahrheit
Schöpfer Wesen
Ohne Angst
Ohne Feindschaft
Von zeitloser Gestalt
Jenseits des Geburtenkreislaufs
Vom eigenen Ursprung entfremdet (haben wir uns, aufgrund unserer Selbstüberschätzung, doch)
Durch die Gnade spiritueller Weisheit (können wir wieder vollständig heilen und zum ewigen Licht des Lebens, unserer eigentlichen Heimat und Familie, heimkehren).

Die Mitwirkenden verbrachten über die Woche verteilt viele Stunden bei der Erörterung der ersten Worte. Besonders ausführlich wurde dabei über die Bedeutung der ersten beiden Zeichen reflektiert: ੴ – Ik Oankar. Sie sind eine Erinnerung daran, dass alles Leben eine verbundene und unendliche Einheit bildet. Wir alle sind verwoben – untereinander, mit der Tier- und Umwelt, mit den Naturprinzipien und mit dem unendlichen Ganzen. Wir sind gekommen, um innerlich wieder eins und vollkommen zu werden sowie diese Einheit bewusst zu erleben und unter den Menschen zu stärken.

ਯਾ ਜੁਗ ਮਹਿ ਏਕਹਿ ਕਉ ਆਇਆ ॥ GGS, 251, M.5

Um die gewonnen Erkenntnisse fortlaufend zu vergegenwärtigen, wurde die inspirierende Bedeutung des Eröffnungsverses in schön gestalteten Holzrahmen präsentiert – ein stiller, gleichwohl kraftvoller Begleiter durch das Camp.

B) Grundlagen eines spirituellen und ganzheitlichen Lebens

Veränderung ist ein Prozess, kein Ziel

Verbunden wurde die Übung des Ewigen Kreislaufs und die Erörterungen des Eröffnungsverses mit kosmischen Prinzipien, zum Beispiel dass alles im Universum in Bewegung ist – dass Expansion, Veränderung und zyklische Erneuerung das Leben selbst ausmachen. Wie auch in der Theorie vom Big Bang erklärt, bewegt und dehnt sich alles aus und kehrt irgendwann zurück zum Ursprung – und dann beginnt alles von Neuem. Nichts steht still. Diese Erkenntnis half, zyklisch statt linear zu denken und zu agieren und zu erkennen: Veränderung ist ein fortwährender Prozess und kein Ziel.

ਕਈ ਕੋਟਿ ਖਾਣੀ ਅਰੁ ਖੰਡ ॥ ਕਈ ਕੋਟਿ ਅਕਾਸ ਬ੍ਰਹਮੰਡ ॥ ਕਈ ਕੋਟਿ ਹੋਏ ਅਵਤਾਰ ॥ ਕਈ ਜੁਗਤਿ ਕੀਨੋ ਬਿਸਥਾਰ ॥ ਕਈ ਬਾਰ ਪਸਰਿਓ ਪਾਸਾਰ ॥ ਸਦਾ ਸਦਾ ਇਕੁ ਏਕੰਕਾਰ ॥ ਕਈ ਕੋਟਿ ਕੀਨੇ ਬਹੁ ਭਾਤਿ ॥ ਪ੍ਰਭ ਤੇ ਹੋਏ ਪ੍ਰਭ ਮਾਹਿ ਸਮਾਤਿ ॥ ਤਾ ਕਾ ਅੰਤੁ ਨ ਜਾਨੈ ਕੋਇ ॥ ਆਪੇ ਆਪਿ ਨਾਨਕ ਪ੍ਰਭੁ ਸੋਇ ॥੭॥ GGS, 276, M.5

Gerade in einer kapitalistisch geprägten Konsum- und Überflussgesellschaft, in der Fortschritt oft nur materiell verstanden und anhand des Wirtschaftswachstums und nicht am Wohl von Mensch, Tier und Mutter Erde gemessen wird, ist dies eine Einsicht, die zu einer veränderten Lebenshaltung beitragen kann.

Raus aus der Komfortzone und bewusst den Moment erleben

Das Herzstück des Camps war die Innenschau und das gemeinsame Lernen. Dabei wurde der Fokus stets auf drei Schritte gelegt:

  1. Verstehen, worum es im Kern bei den spirituellen Weisheiten geht

  2. Erkennen, wie ich die Weisheiten mit meinem Leben und meiner aktuellen Lebenssituation in Verbindung bringen kann

  3. Umsetzen, so dass ich die gewonnen Erkenntnisse bewusst in meinem Alltag zum Leben erwecken kann

Zentral war im Rahmen der Reflexionen die Erkenntnis, den Mut aufzubringen, die eigene Komfortzone zu verlassen. Dazu gehört, eigene Prägungen und Muster zu durchschauen und sich auf neue Sichtweisen und Haltungen einzulassen. Dies wurde anhand des Wortes Sikh besprochen. Sikh steht für einen Schüler, der ein Leben lang bereit ist, zu lernen und sich seelisch weiterzuentwickeln.

Ausgehend von den Worten Ik Oankar wurde erörtert, wie wir uns auf die eine Sache fokussieren können, die im Hier und Jetzt wichtig ist. So kann nach und nach aus dem Gedankenwirrwarr ein bewusster harmonischer Gedankenfluss entstehen. Dies hilft auch, nicht jedem (verrückten) Gedanken zu folgen bzw. ernst zu nehmen, der einen in den Sinn kommt.

Ehrlichkeit – Grundlage für Selbstreflexion

Die Jugendlichen erörterten, wie wichtig es ist, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. Zur Selbsterkenntnis gehört die Fähigkeit, eigene Stärken wie Schwächen realistisch zu erkennen und anzunehmen. Dies unterstützt nicht den spirituellen Lebensweg, sondern auch ganz praktisch - etwa bei der Berufswahl, bei der Teamarbeit oder bei der Organisation eines Camps. Ergänzend wurde auch über die Verbindung von Disziplin und Respekt besprochen, darunter die Einhaltung von Vereinbarungen. Hierbei wurde auch deutlich, warum in der Sikhi so viel Wert auf Authentizität, die Übereinstimmung von Wort und Tat und die Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln gelegt wird.

ਦਿਲਹੁ ਮੁਹਬਤਿ ਜਿੰਨੑ ਸੇਈ ਸਚਿਆ ॥ ਜਿਨੑ ਮਨਿ ਹੋਰੁ ਮੁਖਿ ਹੋਰੁ ਸਿ ਕਾਂਢੇ ਕਚਿਆ ॥੧॥ GGS, 488, Bahagt Sheikh Farid

ਫਰੀਦਾ ਜੇ ਤੂ ਅਕਲਿ ਲਤੀਫੁ ਕਾਲੇ ਲਿਖੁ ਨ ਲੇਖ ॥ ਆਪਨੜੇ ਗਿਰੀਵਾਨ ਮਹਿ ਸਿਰੁ ਨਂੀਵਾਂ ਕਰਿ ਦੇਖੁ ॥੬॥ GGS, 1378, Bahagt Sheikh Farid

Das Fieber des Egoismus

Zentral war bei den Reflexionen der Umgang mit Egoismus und Problemen und das Erfordernis des Perspektivenwechsels. Denn wir merken oft gar nicht, wie wir egoistisch unsere Wünsche und beschränkten Sichtweisen über die anderer stellen. Auch dann, wenn sie schädliche langfristige Auswirkungen mit sich bringen.

Tugenden sind der Gradmesser des Fiebers des Egoismus, das uns befallen hat. Je höher das Fieber, umso weniger ausgeprägt sind unsere Liebe, Tugenden und unsere Weisheit, dafür aber unser Egoismus, unsere Laster und die Dunkelheit in uns. Egoismus macht dünnhäutig und angriffslustig. Je stärker der Egoismus in uns, desto schneller fühlen wir uns angegriffen und gehen zum Gegenschlag über. Je näher wir der Gesundung kommen, umso stärker bilden sich intuitiv Weisheiten, Tugenden wie Geduld und Altruismus sowie Licht aus. Mit den Jugendlichen wurde daher Spiritualität vereinfacht als der himmlische Weg der Selbstvervollkommnung beschrieben, der uns aus der Dunkelheit der Unkenntnis zum inneren Licht führt. Entsprechend deutlich wurde für die Mitwirkenden die Bedeutung himmlischer Farben für die Kopfbedeckung.

Spirituelle Menschen lösen Probleme – Sie erschaffen keine

Im Rahmen des Austausches wurde deutlich, dass wir aus Angst vor Konflikten oder aus missverstandener Harmonie und Respektsvorstellungen dazu neigen, problematische Verhaltensweisen zu verdrängen und nicht anzusprechen. Entsprechend benötigt es Mut, Zeit und spirituelle Reife, Schwierigkeiten und selbstbezogenes Verhalten offen, respektvoll und lösungsorientiert anzusprechen. Zusammengefasst wurde das Thema mit dem Motto: Spirituelle Menschen lösen Probleme - sie erschaffen keine.

Langar – Seelennahrung für jeden Tag und die vier Prinzipien der Reinigung

Immer wieder wurde in Erinnerung gerufen, sich auch nach dem Camp täglich genügend Zeit für die Innenschau zu nehmen - und sich mit Langar, spiritueller Nahrung für die Seele, zu nähren. Denn genauso wie der Körper täglich Essen braucht, um Energie zu gewinnen und Reinigung benötigt, um sich sauber zu halten, bedarf unsere Seele der Pflege durch Hilfe spirituelle Weisheiten.

ਲੰਗਰੁ ਚਲੈ ਗੁਰ ਸਬਦਿ ਹਰਿ ਤੋਟਿ ਨ ਆਵੀ ਖਟੀਐ ॥ GGS, 966, Balvande Te Sata

Die Gruppe übten ein, folgende vier Bereiche im Alltag bei der Reinigung zu berücksichtigen, da dies hilft, ein achtsames und gesundes Leben im Einklang mit der Natur zu führen:

  1. die Seele bzw. das Herz

  2. den Körper

  3. die Wohnstätte

  4. die Umwelt

Zum Thema gesunde Lebensführung wurde auch besprochen, welche Vorteile es hat, grundsätzlich den Konsum von Alkohol, Drogen, Zigaretten, Vapes und ähnliches zu meiden.

C) Teamarbeit, Kommunikation und nachhaltige Hilfe

Sprache formt unser Denken – Bewusste Kommunikation

Ein weiterer Schwerpunkt im Camp war die Reflexion darüber, wie sehr unsere Sprache unser Denken beeinflusst. Die Teilnehmenden wurden inspiriert, bewusst zu beobachten, zu sprechen und zu schreiben – in vollständigen Sätzen, offen, ehrlich, mit Respekt und gerne mit Humor. Offene Fragen wurden gegenüber geschlossenen und rhetorischen Fragen als wertvolle Vorgehensweise erkundet, da sie Raum für einen wirklichen Dialog eröffnen.

Auch wurde dazu gesprochen, vor allem auch religiöse Begriffe nicht unreflektiert zu übernehmen, sondern ihren Ursprung zu ergründen – um dann aus dem ursprünglichen Zusammenhang heraus zu verstehen, was sie heute für uns bedeuten können. Dabei wurde deutlich, dass es hilfreich ist, Worte nicht zu verwenden, deren Bedeutung nicht wirklich verstanden wird. Gestreift wurden dabei auch die vielfältigen Formen der Kolonialisierung, die uns unbewusst durchdringen.

Die Jüngeren nutzen die Zeit praktisch. Sie kneteten Buchstaben aus Gurmukhi und erkundeten so die eigens entwickelte Schriftsprache der Sikhi.

Teamarbeit lernen – Gemeinsam können wir mehr erreichen

Ausgehend von dem Gelernten gestalteten die älteren Jugendlichen ein Präsentationsprojekt: In Kleingruppen bearbeiteten sie zentrale Fragen aus dem Artikel Sikhi für Jugendliche. Ziel war es, sich intensiver mit den Weisheiten, Werten und Traditionen der einzigartigen Lebensweise der Sikhi auseinanderzusetzen. Gleichzeitig wurde die Übung genutzt, um gemeinsam Teamdynamiken und Präsentationsmethoden zu reflektieren:

Was hilft, damit Zusammenarbeit gelingt? Warum und wie entstehen Kommunikationsbarrieren? Wie gehen wir mit eigenen Unsicherheiten und Schüchternheit um?

Die Jugendlichen lernten, ein Projektziel zu definieren, Aufgaben gemäß den Stärken im Team aufzuteilen sowie Gedanken klar und inspirierend vorzutragen. Die Aufgabe war eine wertvolle Vorbereitung auf ein qualitätsorientiertes Arbeiten für zukünftige Projekte in Schule, Beruf und in der ehrenamtlichen Gemeinschaftsbildung.

Wie die Weisen der Sikhi im Mittelalter lebten und was wir von ihnen lernen können

Auch ein historischer Blick wurde gewagt: Wie lebten weise und erleuchtete Menschen wie Gur Nanak, der 1469 geboren wurde, im Mittelalter? Oder Bhagat Kabir, Gur Gobind Singh und seine vier Söhne? Was war die Grundlage der erfolgreichen Teamarbeit der zehn direkt aufeinander folgenden Erleuchteten über einen Zeitraum von über 200 Jahren hinweg? Wie bewahrten sie die ihnen offenbarten spirituellen Weisheiten, die sie aufschrieben (Pothi) während langer Wanderschaften auf? Wie gingen sie mit den Herausforderungen während starker Monsunregenfälle, Hitze oder Verfolgung um?

Dieser Rückblick ließ erkennen, über wie viele weltliche Annehmlichkeiten wir heute verfügen und wie sehr wir gleichwohl von der spirituellen, mutigen und bescheidenen Lebensweise der Weisen lernen können.

Die höchste und nachhaltigste Form der Hilfe – Hilfe zur Selbsthilfe

Ein weiteres wichtiges Thema, das erörtert wurde, war die Frage: Was ist gute Hilfe? Gemeinsam wurde reflektiert, warum kluge Hilfe nicht darin besteht, kurzfristig materielle Dinge zu geben – Essen, Kleidung, Geld –, sondern darin, Menschen so zu stärken, dass sie sich selbst helfen können. Gute Hilfe ist nachhaltig, nicht wiederholungsbedürftig. Sie erhebt Menschen innerlich, macht sie unabhängig und ermöglicht ihnen, würdevoll zu leben. Hilfe ist dann am reinsten, wenn sie intuitiv aus Liebe geschieht – ohne die Absicht, „eine gute Tat“ zu vollbringen, Deals einzufädeln, Geld zu verdienen, Spenden einzuwerben oder zu missionieren.

D) Praktisches Erleben und Ausflüge

Besuch bei Feuerwehr und Polizei – Dienst an der Gemeinschaft

Besuche bei der Feuerwehr und Polizei verdeutlichten, wie ganz konkret Hilfe in der Stadtgesellschaft geleistet wird. Die Kinder und jüngeren Jugendlichen besuchten die Freiwillige Feuerwehr Frankfurt-Nied sowie die Polizeiwache im Gallusviertel. Begeistert berichteten sie von ihren Eindrücken: Sie legten selbst Hand an, bedienten einen Feuerwehrschlauch, lernten, wie ein Feuerwehrfahrzeug funktioniert und erhielten eine Einführung in die Aufgaben des Brandschutzes. Bei der Polizei erfuhren sie, wie Fingerabdrücke analysiert und mit Datenbanken abgeglichen und wie Handschellen angelegt werden. Diese Erlebnisse zeigten den jungen Menschen, wie wichtig Berufe sind, die der Gemeinschaft dienen. Ihnen wurde bewusst, dass solche Tätigkeiten viel Wertschätzung verdienen – besonders auch dann, wenn sie freiwillig ausgeübt werden.

Ein herzlicher Dank gilt Herrn Müller von der Polizei sowie Herrn Trost und Herrn Stock von der Feuerwehr, die sich mit Geduld und Begeisterung viel Zeit für die Vorstellung nahmen. Es schien auch, dass sie erfolgreich Nachwuchskräfte gewonnen hätten. Denn einige Kinder äußerten den Wunsch, Polizeikommissar zu werden und bei der Feuerwehr zu arbeiten.

Die Samen des Lebens – Das Wunder der Entwicklung

Ein besonders sinnliches Projekt war die Beobachtung von Linsensamen über mehrere Tage hinweg. Die Kinder und Jugendlichen pflanzten sie selbst, pflegten sie, malten Bilder und lernten dabei, wie aus einem unscheinbaren Samen Leben erwächst. So wurde erfahrbar, wie wertvoll das Leben ist – und wie wichtig ein achtsamer Umgang mit all dem ist, was uns vom Leben geschenkt wird und was wir ins Leben tragen.

Daran anknüpfend wurde auch über bewusstes Einkaufen gesprochen. Die Mitwirkenden nahmen sich vor,

  • Bioprodukte und regional einzukaufen,

  • Plastikverpackungen zu vermeiden,

  • den Konsum von süßen und industriell verarbeiteten Produkten zu reduzieren,

  • nur das zu kaufen, was wirklich gebraucht wird und

  • soweit möglich, selbst Gemüse und Obst anzubauen.

Kinder zeichnen auf Basis ihrer Beobachtungen die Entwicklung der von ihnen gepflanzten Linsensamen. Credits: Rat der Sikhi

Kochen mit Liebe – Gesundes Essen gemeinsam genießen

Ein weiterer Höhepunkt war das gemeinsame Zubereiten von gesunden Speisen. Kinder und Jugendliche schnitten Gemüse, bereiteten Linsen, Salat und Rotian (Fladenbrot) frisch mit Achtsamkeit zu - und die selbst gepflanzten Linsen kamen gleich im Salat zum Einsatz. Und so lernten die Teilnehmenden, wie wohltuend gesunde Ernährung sein kann und dass Linsen, wenn sie richtig gewürzt werden, besser schmecken als jedes Tiefkühlgericht oder Fast Food. Sie erlebten, wie viel Freude es macht, gemeinsam zu kochen und wie dies als Ausdruck von Fürsorge und Liebe verstanden werden kann – für sich selbst und die Gemeinschaft.

Bewegung, Spiel und Körperbewusstsein

Auch körperliche Bewegung war ein wichtiger Bestandteil des Camps. Vor allem die Jüngeren tobten sich bei Spielen wie Völkerball, Chinesische Mauer und bei Fitness- und Koordinationsübungen aus. Denn wer lernt, sich selbst zu spüren, kann auch andere besser wahrnehmen. Spielerisch wurde so Verbindung zwischen Körper und Seele gestärkt – und Freude an Bewegung erfahrbar gemacht. Ein Höhepunkt war hierbei eine Waldwanderung mitsamt einem Picknick an einem Abenteuerspielplatz in Fechenheim.

Innere Reise – Achtsamkeit erleben

Als Ausgleich zu den körperbezogenen Aktivitäten und um sich selbst in Achtsamkeit und Stille zu begegnen, führten angeleitete Kontemplations- und Achtsamkeitsübungen während des Camps die Teilnehmenden zu sich selbst zurück. Eine Fantasiereise in die Berge ließ sie spüren, wie der Regen die Haut berührt, ein Regenbogen am Himmel erscheint, und ein Schmetterling durch die Luft tanzt. Diese Übungen halfen, das eigene Empfinden zu verfeinern, die Sinne zu schärfen und innerlich ruhig zu werden.

Sei dabei!

Zum Abschluss des Camps absolvierten die Teilnehmenden ein online Wissensquiz, erhielten Teilnahmezertifikate und selbst gestalteten Schlüsselanhänger mit dem jeweiligen Namen in Gurmukhi. Allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern wurde herzlich gedankt - darunter Müttern, Rentnern und einem Witwer. Ohne ihre Zeit, liebevolle Hingabe und bereitgestellten Essenszutaten wäre es nicht möglich gewesen, das Camp zu organisieren!

Dieses Camp war ein Anfang – kein Ende. Was bleibt, ist mehr als Erinnerung: ein wachsendes Gespür dafür, dass echte Entwicklung bei uns selbst beginnt. Stille, ein respektvolles Miteinander und kleine Veränderungen im Alltag säen jenen Wandel, der uns unserem seelischen Selbst näherbringt – als gelebte Erkenntnis und Haltung. Wer sich mit dieser Art von Gemeinschaftsbildung, Lernen und Leben verbunden fühlt und wem große Worte, Parolen, PR und “Social” Media Getöse unangehem sind, ist herzlich eingeladen, beim nächsten Mal dabei zu sein - und auch den WisdomTalk Podcasts zu folgen. Denn wie der Eröffnungsvers der überlieferten Weisheiten der Gurbani uns erinnert: Alles ist eins. Und du bist ein Teil davon!

Zum Abschluss des Camps bekamen die Kinder und Jugendlichen selbstgeschriebene Namensanhänger in Gurmukhi als Erinnerungsgeschenk. Credits: Rat der Sikhi

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